Das Museum, einsortiert bei Bar und Spaßbad
Das Museum, einsortiert bei Bar und Spaßbad
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TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR chefredaktion@art-magazin.de -
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Museen werden zu wenig als Bildungsorte geschätzt und zu oft als Freizeitparks missverstanden: Schulklasse beim Besuch des Leipziger Museums der bildenden Künste, schwindelfreie Besucher in Tomás Saracenos Installation »in orbit« unter dem Dach des Düsseldorfer K21
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
als Kanzlerin und Länderchefs vor die Presse traten, um den November-Lockdown zu verkünden, war die Verwirrung in der Kunstszene groß: Da war von Opern und Theatern, von Stadien und Bars, von Friseuren und Massagesalons die Rede, die Museen aber wurden mit keinem Wort erwähnt. Erst in der Präzisierung danach wurden die Kunsthäuser mit einer Entscheidung beehrt – sie fanden sich, etwa in Baden-Württemberg, unter der Überschrift »Freizeit« wieder, eingereiht zwischen zu schließenden Spielhallen, Spaßbädern und Wettannahmestellen.
Erst Ignoranz und dann auch noch Verkennung? Bei allem Verständnis für die Maßnahmen war die Frustration groß, hatte man doch eben wieder programmatisch Tritt gefasst, und keiner konnte ernsthaft behaupten, dass das Virus gerade in den luftigen Museumshallen leichte Beute findet. Mir gibt diese Sortierung in die Freizeitschublade zusätzlich zu denken. Bibliotheken blieben immerhin großteils geöffnet – weil offenbar als Bildungseinrichtungen anerkannt. Haben sich die Museen mit der Popularisierung ihrer Ausstellungen, mit all den »Events« und »Blockbustern « also zu Tode gesiegt? Haben sie bei ihrer Entstaubung der letzten Jahrzehnte auch ihren Nimbus weggewischt? Es scheint jedenfalls, als müssten sie ihre Nützlichkeit besser beweisen, wollen sie der Politik nicht weiterhin als leicht frivole Vergnügungsstätten, sondern als essenzielle Wissensspeicher und Vermittlungsorte der Gesellschaft gelten.
Meine Kinder haben in Hamburger Schulen brav Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer behandelt, aber keines hat mit seiner Klasse das Original in der HAMBURGER KUNSTHALLE besucht. Das mag kein repräsentatives Beispiel sein, aber es zeigt doch die Defizite der Museen in ihrer selbstverständlichen Verflechtung in den Alltag an. Als wäre Kultur nur etwas für die Freizeit! Unverzichtbar werden, wäre das nicht ein schönes Ziel für die Nach-Corona-Zeit?
PS: Auch unsere Produktion wurde von den plötzlichen Schließungen kalt erwischt: Bitte prüfen Sie die Ausstellungstermine im Heft noch einmal kurzfristig vor Ort.