Eine diplomatische Zitterpartie
Eine diplomatische Zitterpartie
TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR
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Im Tehran Museum of Contemporary Art: ART-Redakteurin Ute Thon 2014 in journalistischer und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier 2015 in diplomatischer Mission
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
»Es bleibt spannend bis zum Schluss«, sagt Hermann Parzinger im ART-Interview (Seite 34) zur großen Teheran-Ausstellung in Berlin. Zumindest was unseren Redaktionsschluss betrifft, hat der Präsident der STIFTUNG PREUSSISCHER KULTURBESITZ schon mal recht behalten. Kurz vor Drucklegung dieses Hefts war plötzlich wieder offen, ob die Sammlung aus der Zeit des Schah nun pünktlich, doch etwas später oder gar nicht zum großen Gastspiel ausreisen würde.
Die Geschichte dieser Ausstellung als diplomatische Mission reicht schon ein paar Jahre zurück. Sie ist ein Nebenschauplatz des umkämpften Annäherungsprozesses des Mullah-Regimes im Iran und der westlichen Welt. Schon 2014 – ART-Leser werden sich erinnern – hatten wir die seltene Gelegenheit zu einer großen Reportage über das TEHRAN MUSEUM OF CONTEMPORARY ART , wo, verborgen im Kellerdepot, die Meisterwerke der Klassischen und der Nachkriegsmoderne lagern, die unter dem Schah-Regime und von der Pahlavi-Familie selbst angekauft worden waren. Damals wurde mit Max Hollein vom Frankfurter Städel verhandelt – wie man hört, hatte sich das Ausstellungsprojekt damals zerschlagen, weil Teheran bizarre Vorstellungen von Leihgebühren hegte.
Die Fäden wurden von höchster Stelle wiederangeknüpft. Die Berliner Museen haben nun ein Vertragswerk verhandelt, das ihnen die kuratorische Freiheit über die Schau sichert. Dass etwa Francis Bacons Triptychon Two Figures Lying on a Bed with Attendants ausreisen darf, hat man sich dezidiert zusichern lassen – wohl wissend, wie heikel es für jeden iranischen Funktionär sein muss, diese homoerotische Szene zum diplomatischen Emissär zu machen.
Warum, könnte man fragen, lässt sich ein öffentliches Museum überhaupt auf ein so schwieriges und absturzgefährdetes Unterfangen ein? Fast vergessene Schlüsselwerke von Rothko, Lichtenstein, Pollock wieder ans Licht zu holen wäre sicher ein hinreichender Grund. Viel wichtiger aber ist, sie im Zusammenklang mit den iranischen Arbeiten aus der Zeit vor der Islamischen Revolution zu zeigen, wie man es in Berlin plant – und wie wir es in unserer Geschichte machen. Parallel zeigt in München das HAUS DER KUNST »Postwar« (Seite 114) als große Neubewertung der Nachkriegskunst aus globalisierter Perspektive. Die Entdeckungen dort kommen ebenfalls nicht aus dem Westen.