Die Rückkehr eines großen Meisters – oder eines kleineren
Die Rückkehr eines großen Meisters – oder eines kleineren

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, mit dem Tod eines Künstlers geht sein Urheberrecht an die Erben über, die diese Würde auch meist redlich verwalten und verwerten. Manchmal aber führt die Übertragung des Genius per Gesetz auch zu seltsamen Konstruktionen und merkwürdigem Gebaren: Da werden Autos nach Malern benannt und Schals bedruckt oder Rechnungen gestellt, als ob es 70 Jahre lang kein Morgen gäbe. Kaum einem Künstler der Moderne aber wurde posthum so mitgespielt wie Oskar Schlemmer. Jahrzehntelang haben Tochter Uta Jaïna Schlemmer und ihr Sohn Raman blanke Willkür walten lassen: Mal wurden Abbildungen auf dem Gnadenweg genehmigt, mal eben nicht. Dann wurden Leihgaben aus Museen zurückgefordert oder von Beschlagnahmung bedroht – und irgendwo gehortet. Wissenschaftliche Arbeit wurde behindert – und darüber geschwiegen, um die Lage nicht noch schlimmer zu machen. Sogar Studentenarbeiten zum BAUHAUS-Meister wurden gerichtlich angegriffen. Zuletzt eskalierte der Streit mit Raman-Cousine Janine so weit, dass Teile des Erbes versteigert werden sollten. Auch das wusste Jaïna zu verhindern. Absurdes Rechte-Theater auf Kosten des Künstlers.
So kommt es, dass Oskar Schlemmer zum großen Unbekannten wurde. Oder möglicherweise ja sogar zum bekanntesten Kleinen der Kunstgeschichte? Seit 1977 gab es weltweit keine Retrospektive mehr, es fehlen Monografien, es fanden einschlägige Ausstellungen ohne seine Bilder statt, und es erschienen Kataloge mit weißen Seiten. Nun sind die 70 Jahre um, und Oskar Schlemmers (1888 bis 1943) Werke sind das, was man »gemeinfrei« nennt. Die STAATSGALERIE STUTTGART hat lange darauf hingearbeitet und ergreift jetzt die Chance, Schlemmers Werk unbehindert auszubreiten und zu deuten.
Ich bin neugierig, ob sich das so lange verstreute und parzellierte Werk zu einer Einheit fügt, die den Bauhaus-Kollegen Paul Klee und Wassily Kandinsky ebenbürtig ist. Auf jeden Fall aber gibt es endlich ein paradigmatisches Werk der Moderne zu erkunden: unbegrenzt in seinen Ansprüchen, gefangen in seiner Zeit. Lesen Sie unseren großen Bericht ab Seite 20.
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So tanzte das Bauhaus: Schlemmers »Triadisches Ballett« wurde im Sommer in München wieder aufgeführt -

Hier lagern Schlemmers Werke noch im Depot der Stuttgarter Staatsgalerie, bald sind sie endlich wieder öffentlich zu sehen
PS: Mit dieser Edition von Robert Frank (Seite 64) hat sich Gerhard Steidl wirklich selbst übertroffen! Falls Sie noch nicht abonniert haben: Das Blatt ist nicht anders zu haben …