Liebe Leserin, lieber Leser,
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nun hat Berlin, die Kulturhauptstadt des Landes, keinen Kultursenator mehr. Der „Regierende Bürgermeister“ (eine angesichts der aktuellen Handlungsunfähigkeit lustige Titelei aus Frontstadtzeiten) erledigt die paar Musenangelegenheiten gleich mit. Ein größeres Gewicht, so verkündete Klaus Wowereit bei der Vorstellung des neuen rot-roten Senats der Presse, könne man der Kultur doch gar nicht geben, als sie exklusiv bei ihm zu verorten. Mangelndes Selbstwertgefühl kann man Klaus Wowereit nicht vorwerfen, aber hier geht er wohl doch etwas in die Irre. Die Kultur verspricht glanzvolle Auftritte, als Hobby aber taugt sie nicht.
Lange schon ist Berlin keine kraftstrotzende Wirtschafts- und Handelsmetropole mehr, sondern Wissenschaft und Kultur sind die letzten Trümpfe der Stadt. Aber auch die stechen nur durch die Kofinanzierung über den Bund - wenn man sie klug und effektiv einsetzt. Da wäre es angezeigt gewesen, sich einer deutschlandweit, vielleicht international ausgewiesenen Fachkraft zu versichern, die Ideen entwickelt, Talente fischt, Sponsoren ködert, eben laut trommelt und schön flötet für die Stadt. Kultur braucht Charakter und ein Gesicht. Gerade deshalb darf sie nicht das Privatressort des moderierenden Chefs sein, sondern muss eine eigene Stimme am Koalitionstisch haben, ein eigenes Budget, einen eigenen Apparat, um sich im politischen Kräftespiel zu behaupten. Sonst wird sie zur reinen Frage der Finanzverwaltung. Klaus Wowereit sorgte einmal für Schlagzeilen, als er statt zur Einweihung von Günter Behnischs neuem Akademiegebäude lieber zum Spiel von Hertha BSC ging. Dabei ist er kein Kultur banause. Er ist bekennender Operngänger (Puccini!) und lässt sich auch auf der Kunstmesse Art Forum blicken. Seine erste programmatische Äußerung aber lässt schon nichts Gutes hoffen, weil er die alten Berliner Reflexe wiederholt: er wolle sich dafür einsetzen, dass der Bund allein die Staatsoper unter den Linden finanziert.

Bei der Eröffnung des Bodemuseums auf der Berliner Museumsinsel hat der kluge Bundestagspräsident Norbert Lammert den „unsäglichen Begriff“ der „Kulturhoheit“ gegeißelt: „Ein Staat, der Kunst und Kultur mit hoheitlicher Gebärde begegnet ist sicher kein Kulturstaat.“ Der Bund hatte die grandiose Wiederauferstehung des Museums finanziert. Aber darum ging es nicht, sondern um die grundsätzliche Wertschätzung der Kunst und die Haltung zu ihrer Eigengesetzlichkeit. In den Debatten um die Föderalismusreform haben die Länder wieder laut auf diese „Kulturhoheit“ gepocht. Dabei lassen sie es zunehmend an Engagement fehlen. Auch Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kommen mittlerweile ohne Kulturministerium aus. Ein Trend, der dort erst auf lange Sicht üble Folgen haben wird, in der armen Hauptstadt aber sofort wirkt: „Berlin ohne Kultursenator, das ist wie Kuweit ohne Ölminister“, kommentierte Stephan Frucht vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI den Fall. Der Mann muss es wissen.