Willkommen in der Berliner Asservatenkammer
Willkommen in der Berliner Asservatenkammer
chefredaktion@art-magazin.de
-

Missglücktes Design: In den ethnologischen Sammlungen des Humboldt-Forums herrscht unwirtliches Chaos -
-

Das Zürcher Museum Rietberg (links) und das Pariser Musée du Quai Branly setzen auf die Kraft der auratischen Inszenierung -
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
die Geschichte der ethnologische Museen kennt viele Wendungen: vollgepfropfte koloniale Trophäensäle, staubige Arsenale mit Insektizidaroma, Buschhütten-Inszenierungen wie bei Hagenbecks Völkerschau. Dann kam mit Neugründungen wie dem Pariser MUSÉE DU QUAI BRANLY (eröffnet 2006) oder Umgestaltungen wie dem Zürcher MUSEUM RIETBERG (Neubau 2007) die auratische Wende: Mit allen Zaubermitteln des musealen Designs wird den Masken und Totems, den Waffen und Umhängen, den Ahnen- und Götterbildern aus fernen Gefilden zu anbetungswürdiger Bedeutung verholfen. »Ars una« nannte man schon früh in Zürich das zugrunde liegende Prinzip: Die Kunst ist weltweit gleichwertig, also muss die Präsentation hier genauso liebevoll und schön sein wie bei europäischen Antiken oder Skulpturen des Mittelalters auch.
Wer solche Inszenierungen kennt, dem wird im Humboldtforum das Blut gefrieren: Das jetzt endlich komplett eröffnete Haus hat, sieht man vom asiatischen Museum ab, in seinen ethnologischen Sammlungen den Charme einer Asservatenkammer. Grell ausgeleuchtet häufen sich die Stücke in hässlichen Vitrinen, die seltsam unmotiviert wie verschobene Raumteiler in den endlosen Sälen herumstehen. Der Boden ist weiß und abwaschbar (und trotzdem schon verdreckt), die Decke sieht aus wie in einem Parkhaus – und wie dort ist auch hier immer eine Betonsäule im Weg. Dafür gibt es überall Fenster (ist ja eine Schlossfassade), die aber verhängt sind (ist ja ein Museum). Es ist sehr unwirtlich hier, für Menschen wie Dinge.
Getrieben von den schmerzhaften Diskussionen um Erwerbungsgeschichte und Deutungshoheit (siehe auch Seite 124) ist das Haus in einen öffentlichen Verhandlungsmodus verfallen, bei dem die Herkunftsgesellschaften mitsprechen und alles als Prozess begriffen wird. Das kann heute und angesichts der Vorgeschichte nicht anders sein. Es ist auch richtig, das Bewusstsein der Besucher zu schärfen, statt sie im Exotismus schwelgen zu lassen. Aber wenn beim beflissenen Problematisieren die wunderbaren Exponate samt und sonders zu Corpora Delicti reduziert werden, kommt dem Museum der Wesenskern abhanden: die Liebe zur Schönheit und die Feier der »ars una« des Menschen.
PS: Mit ihrer ARTCARD bekommen unsere Abonnentinnen und Abonnenten samt Begleitung 50 % Rabatt auf den Eintritt zu Deutschlands größter Kunstmesse. Wir sehen uns auf der ART COLOGNE!