Apokalypse mit Goldrahmen

Apokalypse mit Goldrahmen

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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

mit der letzten Hitzewelle rollte eine Protestwelle durch die deutschen Museen. 23. August in Dresden, 24. August Frankfurt/M., 25. August in Berlin, 26. August in München, immer die gleiche Choreografie: Zwei Klimaaktivisten der »Letzten Generation« fixieren sich mit Sekundenkleber an den Prunkrahmen Alter Meister; Banner und dramatisches Statement für die Kamera, Alarmsirene im Hintergrund. Vorher hatten sich Mitglieder der Gruppe immer wieder auf Straßen festgeklebt, danach noch ein Fußballtor gekapert. Ähnliche Museumsaktionen hatte es zuvor in Großbritannien und Italien gegeben.

In keinem der Häuser gab es nennenswerten Sachschaden, das Medienecho war gleichwohl gewaltig. Interessanter als die stereotypen Aktionen, die sich mal mehr, mal weniger gezielt die passenden Bildsujets zur drohenden Apokalypse gesucht hatten, waren die Interviews der Museumsleute zu den Anschlägen, die ja eigentlich keine waren.

Marion Ackermann, Generaldirektorin der STAATLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN DRESDEN, findet die Aktion recht vorsichtig »problematisch«, kritisiert im Deutschlandfunk Kultur, ganz Kunsthistorikerin, den mangelnden Sinnbezug von Raffaels Sixtinischer Madonna zur Klimakrise und gibt sich ansonsten ratlos, wie man die Werke vor solchen Aktionen schützen könnte, ohne die Museen zu Hochsicherheitstrakten zu machen. Im NDR-Interview von Alexander Klar aus der HAMBURGER KUNSTHALLE vermeint man fast ein wenig Neid auf die Publicity der betroffenen Institutionen herauszuhören (hätte man doch mit C. D. Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer die perfekte Illustration zum Brand der Sächsischen Schweiz im Angebot gehabt, mag er sich gedacht haben). Er freut sich: »Es ist schön, dass Museen offensichtlich als Plattformen wahrgenommen werden, an denen man so etwas machen kann«, sieht einen »sehr zivilisierten Protest, der viel Öffentlichkeit bekommt« und findet: »Das ist hinnehmbar.«

Ich finde es richtig, dass die Museen den Ball hier erstaunlich flach halten und nicht zum Keulenschlag gegen die verzweifelte Jugend ausholen. Überreaktion hätte die sympathisch infantilen Sekundenkleberaktionen womöglich noch zum Dauerzustand gemacht. Stattdessen sollte sich der Klimaaktivismus der Museen den eigenen Klimaanlagen zuwenden. Bringt mehr.

  • »Sehr zivilisierter Protest«: Aktionen der »Letzten Generation« in Museen in Dresden, Frankfurt/M., Berlin, und München (im Uhrzeigersinn)

PS: Sie überlegen noch, wohin Sie die nächste Kunstreise führen wird? Paris – das ist das neue Berlin und das neue London zugleich! Alles zur wieder erwachten Metropole ab Seite 22.