Die CIA steuerte die Kunst – wie konnte das gelingen?
Die CIA steuerte die Kunst – wie konnte das gelingen?

Liebe Leserin, lieber Leser, die Kunstwelt ist voller Verschwörungstheorien: Irgendwelche Trends werden angeblich tückisch von internationalen Syndikaten lanciert, Preise strategisch gepusht, unliebsame Künstler totgeschwiegen. Meistens ist das blanker Unsinn. Aber bei der Geschichte über den Siegeszug des Abstrakten Expressionismus (ab Seite 46), die Autor Kolja Reichert für uns recherchiert und aufgeschrieben hat, kann man eine Gänsehaut bekommen. Wägt man die heute bekannten Fakten und Indizien, spricht alles dafür, dass der amerikanische Geheimdienst cia höchst erfolgreich die Kunst als Waffe im Kalten Krieg benutzt hat. Ohne das Wissen der Künstler selbst, aber gesteuert und finanziell befeuert über ein Netzwerk aus Museen, Stiftungen, Medien. Ein Haufen linker Bohemiens, die den Weltkrieg malend und diskutierend in Manhattan verbracht hatten, wurden zu Helden der Freiheit aufgebaut, documenta und venedigbiennale zu Werbeplattformen für den »American way of art«. Im Westen war das die Initialzündung für eine neue unakademische Avantgarde, für den Osten wurde ein konkurrierender Maßstab zum sozialistischen Realismus etabliert, der den Underground über Jahrzehnte befreiend geprägt hat.
In das Befremden mischt sich Bewunderung für diesen Coup, der die Avantgarde in den Dienst einer stockkonservativen Politik nahm. Im Grunde, so scheint es aus heutiger Perspektive, war die Kunst wie Kaugummi und Lucky Strike, wie Hollywood und Rock ’n’ Roll ein Versprechen, das eine ganze traumatisierte Generation aus dem Nachkriegsmuff erlöste.
Aber heißt das nun, dass die Kunst steuerbar ist? Zwei Bedingungen waren dazu nötig: Der Plan konnte nur gelingen, weil die USA damals, zwischen Welt- und Vietnamkrieg, wirklich eine Idee, einen Lebensentwurf zu bieten hatte, der überzeugte: das Ich, nicht das Kollektiv. Und weil Tom Braden, Mastermind der Aktion, schlau genug war, eben nicht auf Propaganda, sondern auf das Gegenteil zu setzen. Der Wilde Westen war das Ideal, die straffe Ordnung überließ man dem Osten: klar, was für die Generation Gerhard Richter cooler rüberkam. Für die falsche Kunst hätte man doppelt so viele Marshallplan-Millionen ausgeben können, ohne sie durchzusetzen.
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Im Petticoat zur Abstraktion: Werk von Arshile Gorky auf der DOCUMENTA 2 in Kassel -

Sie haben einen Plan: Politiker Robert McNamara und die CIA-Männer und Journalisten Tom Braden und Joseph Alsop -
PS:
Das Booklet ART -Saison mit den wichtigsten Kunstterminen haben wir mit einem stabileren Umschlag versehen und das Layout leicht überarbeitet – vielen Dank für Ihre Anregungen!