Vor dem Malen kommt das Denken – und auch danach
Vor dem Malen kommt das Denken – und auch danach

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Deutsche Meister denken gern: Caspar David Friedrich, gemalt von Georg Friedrich Kersting, rechts Gerhard Richter -

Besuch mit Museumsdirektor: art-Redakteure Pamela Axmann und Ralf Schlüter bei Gerhard Richter. Rechts Helmut Friedel, Direktor des Münchner Lenbachhauses
Liebe Leserin, lieber Leser , das Erste, was unserer Delegation im Atelier von Gerhard Richter auffiel: Es riecht gar nicht nach Farbe! Es ist schon lange so, dass man die Produktivität von Künstlern nicht am Terpentinverbrauch messen kann, und vor dem Malen kam schon immer das Denken. Aber so durchsetzt von Reflexion wie bei Gerhard Richter ist kaum ein Lebenswerk. Seine Malerei ist klug. Dabei redet der Meister nicht gern über seine Kunst, schon gar nicht mag er sie erklären, vieles bleibt ihm selbst rätselhaft. Auch wir mussten lange antichambrieren, bis die seltene Einladung nach Köln-Hahnwald kam, wo Richter nach der Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie in Berlin im letzten Jahr gerade wieder zwei große Ausstellungen vorbereitet, für die Galerie Neue Meister in Dresden und das Lenbachhaus in München. Wir trafen den 81-jährigen Skeptiker – wie soll es anders sein – in nachdenklicher Stimmung. Für den „Atlas“, sein monumentales Inspirationsreservoir, arrangiert er gerade die voraussichtlich letzten Tafeln. Für seine neueste Werkreihe von hochglänzenden Streifenprints (beachten Sie unsere edle Reproduktion zum Herausnehmen!) lässt er weitgehend den Computer arbeiten, der aus seinen alten Bildern neue generiert. Ist das jetzt der endgültige Abschied?
„Es gab einmal eine Riesenkultur der Malerei, und die ist weg“, resümiert Richter in unserem Gespräch, „ich bin dagegen ein armes Kerlchen mit meinem sogenannten Talent. Ein Foto abzumalen ist wirklich billig gegen das, was Tizian gemacht hat.“ Spricht daraus Resignation? Vielleicht ein wenig. Auf jeden Fall aber Weisheit und die Bescheidenheit, aktuellen Ruhm und hohe Preise noch nicht mit dem Rang in der Kunstgeschichte zu verwechseln. Richter war nie einer dieser präpotenten Macher – er misstraut seinem Erfolg. Das hat ihn über die Jahrzehnte dazu gebracht, immer wieder neu anzusetzen. Und deshalb misstrauen wir wiederum ein klein wenig dieser aktuellen Grübellaune in Richters Atelier. Wenn jemand nachdenkt, könnte er schließlich schon bald wieder malen.