Liebe Leserin, lieber Leser,

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Tim Sommer, Chefredakteur

manchmal bringen Unglücke die besten Geschichten. Wir hatten Monate um diesen Termin bei Richard Prince gekämpft. Aber als Ute Thon, Claudia Bodin und unser Fotograf Jürgen Frank endlich vom Chauffeur der Galerie Gladstone in Rensselaerville drei Stunden nördlich von Manhattan abgesetzt wurden, war die Stimmung schlecht „Second House“, das Gesamtkunstwerk in einer alten Jagdhütte auf einem nahen Hügel war kurz zuvor abgebrannt Jahrelang hatte der Künstler mit eigenen und gesammelten Bildern daran gebaut. Nein, Prince hatte die Ruine noch nicht besichtigt, er wollte auch nicht. Aber irgendwie muss der Schock dem coolen Einzelgänger das Herz geöffnet haben. Seine Bekenntnisse lesen Sie im Interview ab Seite 20: Wozu ihn die Hassliebe zu Überkünstler Andy Warhol trieb, wie er sich den Wünschen seiner erzkonservativen Eltern entzog, warum er nie wieder auf eine Biennale oder Documenta will und welche seiner Sammler seine Bilder wirklich mögen. Viele Stunden wurde geredet, erst in Haus und Atelier, dann bei Sandwiches in einem schlichten Diner - und dann doch noch in den Trümmern des ausgebrannten „Second House“. Der Chauffeur wunderte sich, dass er so lange warten musste, sonst wäre Prince doch mit Journalisten immer ziemlich schnell fertig geworden. Und der Künstler fand das Gespräch so ungewöhnlich, dass er am Schluss um eine Kopie des Tonbands bat: „Ich glaube, ich habe ziemlich schlaue Sachen gesagt. Wer weiß, ob ich das jemals wieder so formulieren kann.“ Skeptische Gegenfrage: „Was wollen Sie denn mit dem Band anfangen?“ Prince: „Vielleicht setze ich mich später mal in mein Baumhaus, schmeiß' mir was ein und höre mir beim Reden zu.“ Zu sehen sind die Werke von Richard Prince ab 28. September in einer großen Retrospektive im New Yorker Guggenheim Museum.

Dass Thomas Wagner einer der besten Köpfe des deutschen Kunstfeuilletons ist, wissen die Leser der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ seit langem. Jetzt schreibt er für art. In seiner monatlichen Kolumne wird Wagner Phänomene des Kunstbetriebs entdecken, Auswüchse geißeln, Trends analysieren. Die Premiere auf Seite 42 handelt von der Documenta und dem neuen Selbstverständnis des Ausstellungsmachers als erstem Künstler seiner Schau. Wagners Fazit: „In den vorfabrizierten Gewächshäusern in der Kasseler Aue gedieh eines besonders: der Kuratorenwahn.“