Liebe Leserin, lieber Leser,

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Tim Sommer, Chefredakteur

manchmal dauert es eben, bis sich journalistische Prophezeiungen erfüllen. Im Jahr 1990 brachte art schon ein Mal ein ganzes Heft mit Geschichten aus Frankfurt am Main und verkündete, die Stadt sei „auf dem Sprung zu einer europäischen Kunstmetropole”. Doch leider neigten sich die Goldenen Zeiten eben zum Ende. 20 Jahre lang hatte Frankfurt - angetrieben von seinem legendären Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann - konsequent in Kultur investiert. Am Mainufer xwar eine Perlenkette von Museen entstanden, das ehrwürdige Städeische Kunstinstitut bekam im Wendejahr 1990 noch einen neuen Flügel und Hans Holleins „Tortenstück“, das Museum für Moderne Kunst, eröffnete bald darauf.

Doch im wiedervereinten Deutschland avancierte nicht Frankfurts postmoderne Herrlichkeit zum Bennpunkt der Kunst, sondern das bröckelnde Ost-Berlin. Nicht, dass die schicken neuen Museen in den neunziger Jahren den Betrieb einstellten, aber irgendwie war mit dem sprudelnden Geld aus Deutschlands größtem kommunalen Kulturetat auch der Elan versiegt. Frankfurt wurde Mittelmaß.

Vier dynamische Macher voller faszinierender Ideen haben die Stadt aus dieser Lethargie geweckt und wieder zu einem Kraftzentrum der Kunst gemacht. Der Kunstverein wurde unter Nicolaus Schafhausen zum viel beachtetem Trendlabor, Udo Kittelmann stülpt seit seinem Amtsantritt im Museum für Moderne Kunst die Sammlung auf der Suche nach neuen Bedeutungsschichten wieder und wieder um. Max Holleins Mix von populären und sperrigen Themen macht die Schirn Kunsthalle zum spannendsten Ausstellungshaus der Republik. Und Rektor Daniel Birnbaum sorgt mit exzellenten Berufungen auch für den richtigen Geist - heute ist seine Städelschule eine der begehrtesten und internationalsten Kunsthochschulen der Welt.

Bei der Produktion mit jungen Frankfurter Künstlern hatte Fotografin Gaby Gerster mit Wallach Marlon zu kämpfen. Was es mit Adrian Williams’ rätselhafter Kostümierung auf sich hat, sehen sie in der großen Bildstrecke ab Seite 18

Also, wiedereinmal: ein art-Spezial mit Geschichten nur aus Frankfurt. Eine Reportage vom Rundgang an der Städelschule und ein Essay über die fruchtbare Verquickung von Kunst und Bankwesen, ein Defilee der Hoffnungsträger und ein Porträt von Tobias Rehberger, Frankfurts größtem Star, ein Treffen der Reich-Ranickis der Kunstkritik im MMK und eine Vorschau auf Udo Kittelmanns neuesten Coup ebenda. Dazu ein Kunstführer zu den wichtigsten Museen und Galerien der Stadt und ein Blick auf die Schreibtische der Protagonisten des zweiten Kunstwunders von Frankfurt.

Vielleicht findet sich dort ja auch die wichtigste Lehre aus dem Ab und Auf der hessischen Kunstprovinz: Diesmal haben nicht die Etats, sondern die Ideen gezündet. Und das sollte auch in Städten möglich sein, die keine Bankmetropolen sind.