Die Kunst, das Klima - und viele offene Fragen

Die Kunst, das Klima - und viele offene Fragen

  • TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR chefredaktion@art-magazin
  • Nachdenken über den Kunst-Jetset: Roman Stańczaks Skulptur »Flight« im polnischen Pavillon der Venedig-Biennale 2019
  • ART-Autor Till Briegleb hat unsere Titelgeschichte zur Nachhaltigkeit recherchiert

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

das Ergebnis ist, ganz vorsichtig ausgedrückt: ziemlich ernüchternd. Unsere große Umfrage zur Nachhaltigkeit hat zuerst gezeigt, dass es im Kunstbetrieb viel guten Willen zur Verbesserung, aber bislang nur ein recht begrenztes Wissen über den eigenen ökologischen Fußabdruck gibt. Unser Autor Till Briegleb hat 79 Museen und Kunstfestivals weltweit nach wichtigen Kennziffern befragt, von den Flügen der Mitarbeiter bis zum Energieverbrauch. Kein Fragebogen kam vollständig ausgefüllt zurück - aber immerhin haben sich fast alle Institutionen doch nach Kräften beteiligt und nicht gemauert. Vielen Dank für diese Offenheit!

Dadurch gibt unsere Titelgeschichte trotz der vagen Datenlage erstmals einen Einblick, der über bloße Vermutungen, Klagen und Beteuerungen hinausgeht. Verblüfft hat mich zum Beispiel, dass die NEUE NATIONALGALERIE in Berlin aufgrund der Dauerklimatisierung vor ihrer Sanierung so viel Energie verbraucht hat, dass man damit 2000 moderne Hundertquadratmeter-Wohnungen mit Heizung und Strom hätte versorgen können. Wenig überraschend dagegen: Je strahlkräftiger ein Museum oder Festival ist, desto mieser ist seine Ökobilanz - denn wir Besucher produzieren auf der Pilgerfahrt mehr Kohlendioxid, als jede Klimaanlage rauspusten könnte. Die allerdings auch 24/7 läuft, wenn keiner kommt. Eigentlich frustrierend …

Bewusstheit ist der Anfang für eine Reise, die nicht in der Freudlosigkeit enden muss. Denn Museen sind Bildungseinrichtungen für alle, auf Biennalen lernt die Welt sich kennen, das ist ein hoher Wert. Schon mit klug geplanten Ausstellungen von langer Laufzeit, schon mit gut erwogenen Reisen lässt er sich noch ein wenig steigern. Weitere Anregungen zum etwas nachhaltigeren Kunstgenuss finden Sie in unser Titelgeschichte ab Seite 20.

Auch unser Verlag Gruner+Jahr und Bertelsmann hat sich auf den Weg begeben, seine Ökobilanz zu durchleuchten, Dinge zu hinterfragen und Schritt für Schritt zu verbessern. Dass dieses Magazin in dünner Plastikfolie verschickt wird, hat sich bei näherer Prüfung als die aktuell ökologisch sinnvollste Variante erwiesen, unser schönes Papier ist PEFC-zertifiziert - was aber nicht der höchste Standard ist. Immerhin haben wir im Homeoffice gelernt, weniger auszudrucken und zu reisen. Am nachhaltigsten ist sicher, dass ein Exemplar von ART im Durchschnitt über elf Leser hat (AWA 2020) und meist nicht so schnell in der Papiertonne landet. Aber es gibt trotzdem noch viel zu tun!