Die Malerei der Millennials wirkt wie aus der Zeit gefallen

Die Malerei der Millennials wirkt wie aus der Zeit gefallen

  • TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR chefredaktion@art-magazin.de
  • Auf Deutschlandsafari, um die junge Malerei zu erkunden: Stephan Berg (links), Alexander Klar und Frédéric Bußmann (rechts) sowie das Team der Ausstellung »Jetzt!«
  • Fest verwurzelt in Moderne und Postmoderne: Bilder von Jagoda Bednarsky (»Wellness [Milk&Honey]«, 2019, links) und Jenny Forster (»Port«, 2017/18) stehen beispielhaft für die Schau

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

keine Angst, das ist nicht die nächste Titelgeschichte über die (Un)Sterblichkeit der Malerei, denn die ist längst erwiesen. Aber wenn sich drei Museumsdirektoren auf landesweite Ateliersafari begeben, um eine neue Generation zu erkunden, dann ist das Anlass genug, zu schauen, was sich im mutmaßlich ältesten Bildgebungsverfahren gerade tut.

53 Malerinnen und Maler – meist in den achtziger Jahren geboren – haben Stephan Berg vom Kunstmuseum Bonn, Frédéric Bußmann von den Kunstsammlungen Chemnitz und Alexander Klar vom Museum Wiesbaden (der jetzt an die Hamburger Kunsthalle gewechselt ist) nach umfassender Recherche und langen Diskussionen zusammengestellt. Wir haben mit den Kuratoren gesprochen und zeigen in diesem Heft ab Seite 46 eine Auswahl der Positionen.

Was mir bei der Galerie des Trios auffällt: wie unpolitisch bis traumverloren die junge Malerei sich gibt, vor allem im Vergleich zu Fotografie, Video, Installation und Performance. Vieles wirkt fast wie aus der Zeit gefallen. Und zwar gleich doppelt: Nicht nur, dass vom aktuellen Weltchaos zumindest vordergründig wenig zu sehen ist, auch formal ist zwar vieles spannend, aber alles scheint doch tief verwurzelt und fest eingewachsen in den Traditionslinien und Stilmustern von Moderne und Postmoderne. Ich finde das erstaunlich bei einer Generation, die »9/11« und den galoppierenden Wahnsinn in ihren prägenden Jahren erlebt hat und für die Computer und dann Smartphone von früher Jugend an wichtigstes Werkzeug der Welterkenntnis waren.

Auch wenn eine solche Pauschaldiagnose immer problematisch ist: Liegt es vielleicht daran, dass sich avantgardistische und aktivistische Naturen heute von vornherein für andere Medien entscheiden? Und wäre das wirklich so eine schlechte Nachricht für die Malerei?

Gute Gemälde haben selten scharf argumentiert, und Maler und Malerinnen brauchen auch nach der Akademie oft viel Zeit, um meisterlich eigentümlich zu werden. Ich jedenfalls bin gespannt, ob die Millennials-Malerei noch an Relevanz und Biss gewinnen wird – gut auszusehen ist schließlich nicht mehr alles, wenn das Alter kommt! Aber schauen Sie selbst…

PS: Nein, früher war nicht alles besser. Aber für Albrecht Dürers Zeichnungen in der Wiener Albertina mussten wir ein Sonderpapier spendieren! Ab Seite 32 in diesem Heft.