Liebe Leserin, lieber Leser,

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Der Potsdamer Schnellschuss

Tim Sommer, Chefredakteur chefredaktion@art-magazin.de

Kunsthalle klingt schön. Geschenke sind auch schön. Ganz zu schweigen von geschenkten Kunsthallen! Trotzdem brach ein Sturm der Entrüstung los im mauerfrei geteilten Potsdam, wo der Softwaremilliardär Hasso Plattner nach anderen Wohltaten für seine neue Heimatstadt nun auch noch eine Galerie bauen wollte – für seine eben begonnene Sammlung von DDR-Kunst. Gleich neben dem Landtag sollte sie stehen, der samt rekonstruierter Fassade des abgeräumten alten Preußenschlosses am Lustgarten neu gebaut wird. Für die Plattnerkunsthalle sollte ein Hotelklotz aus den sechziger Jahren abgerissen werden, der stolz und traurig in den Resten des historischen Zentrums steht. Günther Jauch, auch er ein Neupotsdamer, hatte einen großen Auftritt bei einer Montagsdemo (nannte sich tatsächlich so, obwohl die Transparente gerade mal „Galerie statt Ostalgie“ und „Plattner statt Platte“ forderten) und wetterte gegen die „Ewiggestrigen“ und „letzten Stalinisten“, die den Abriss verhindern wollen. Das Plattnermuseum nannte er ein „Jahrhundertgeschenk“, von einer „großartigen Bildersammlung“ und „internationalem Rang“ war die Rede. Nur: Stadtplanung ist eine Sache der Stadt. Hässliche Hochhäuser sind kein besonderes Kennzeichen des Ostens. Und vor allem: Kunstsammlungen müssen gut sein, bevor sie ein eigenes Museum bekommen – also aus einer privaten Obsession eine öffentliche Angelegenheit machen, für die es Maßstäbe gibt.

  • Günther Jauch, Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, Hasso Plattner und Wolfgang Joop (von links) demonstrieren für die Kunsthalle. Unten die aktuelle Ausstellung der Plattnersammlung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte mit einem späten Bild von Bernhard Heisig

Sammlermuseen sind oft eine große Bereicherung: Burda in Baden-Baden, Würth in Schwaben, Falckenberg in Hamburg, Goetz in München. Nur sind die von ganz anderem Kaliber als das, was Plattner nun als Amuse-Gueule in Potsdam präsentiert. Was da bisher zusammengetragen wurde, sind meist harmlose Spätwerke von etablierten Größen. Das Thema „Kunst der DDR“ wird in jeder Hinsicht verfehlt. Weder gibt es die Breite des Geschehens hinter der Mauer wieder, noch sind Schlüsselwerke enthalten. So hat sich Hasso Plattner wohl eine schlimme Blamage erspart, als er sich entschlossen hat, seine Kunsthalle doch auf seinem privaten Campus zu errichten. Blamiert aber ist die Potsdamer Prominenz: Statt sich für den Schnellschuss des Nachbarn in die Bresche zu werfen, hätte sie wie in guten alten Mäzenatenzeiten einen Kunstverein gründen sollen, der sich mit Gemeinsinn und professionell für die Kunst in der Stadt engagiert.