RUBRIKEN: Berliner Baustellen und Dickbrettbohrer im Kanzleramt

RUBRIKEN: Berliner Baustellen und Dickbrettbohrer im Kanzleramt

EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

was ihre Rolle nach der Bundestagswahl betrifft, sendet Kulturstaatsministerin Monika Grütters verwirrende Signale. Mal deutet sie der »Süddeutschen Zeitung« an, dass sie gern eine dritte Amtszeit antreten würde, dann fragt sie sich im »Spiegel«, ob es die Leute um sie nicht anstrengen würde, sie weiter zu ertragen. Auf jeden Fall aber wäre es an der Zeit, das Provisorium als höhere Abteilungsleiterin im Kanzleramt zu beenden und der Kultur ein eigenes Bundesministerium zu geben.

Nach Lage der Dinge müsste die nächste Bundesregierung überlegen, ob man nicht das gute alte Bundesbauministerium revitalisieren könnte, so viele Baugruben hat Grütters in ihren zwei Amtszeiten seit 2013 ausgehoben: das Humboldt-forum natürlich, mit hybrider Hülle und verquerem Innenleben. Das Museum des 20. Jahrhunderts mit explodierenden Baukosten und dinosaurierhafter Energiebilanz. Beide werden noch für heftigste Debatten sorgen. Dazu diverse andere Großbaustellen: reale wie auf der Museumsinsel und zukünftige wie das Bundesinstitut für Fotografie; organisatorische wie die Strukturreform der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, ideologisch- juristische wie die Restitutionsdebatten, finanzielle wie die Wiederbelebung von Kunst und Kultur nach Corona.

Diese Aufzählung zeigt, wie unentbehrlich sich die »Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien« seit ihrer Erfindung durch Kanzler Gerhard Schröder gemacht haben. Von intellektuellen Stichwortgebern und Preisrednern wie den Seiteneinsteigern Michael Naumann oder Julian Nida-Rümelin haben sie sich durch die Besetzung mit zähen Politprofis wie Bernd Neumann und vor allem Monika Grütters zu Dickbrettbohrern gemausert, die zentrale Fragen im komplizierten föderalen Machtgespinst der Kulturpolitik angehen. Warum diese Bohrer trotz mittlerweile 380 Beschäftigten und 2,14 Milliarden Etat so stumpf erscheinen? Es käme auf den Versuch an, der Kultur endlich einen gleich- und stimmberechtigten Platz am Kabinettstisch zu geben – und damit mehr Macht und Gewicht. Ob Grütters freilich ihre Baustellen verlassen muss oder weiterbohren darf, steht auf einem anderen Blatt.

  • Kultusbaustelle Berlin: oben Monika Grütters mit Neil MacGregor 2015 auf der Baustelle des Humboldt-Forums; unten (von links) Jacques Herzog, Michael Müller, Monika Grütters, Hermann Parzinger, Udo Kittelmann und Klaus Max Rippel 2019 beim Spatenstich für den Neubau des Museums des 20. Jahrhunderts

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