Im Disneyland der Identifikationsfiguren
Im Disneyland der Identifikationsfiguren

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Während in Washington das Denkmal des Südstaatengenerals Albert Pike gestürzt wurde -

Setzte sich Donald Trump vor Mount Rushmore in Szene und beauftragte einen Skulpturenpark für nationale Helden -

Das hat schon vor 200 Jahren nicht funktioniert: Walhalla bei Regensburg
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
es ist fest davon auszugehen, dass sich Donald Trump bei seiner Rede vor den Riesenköppen des Mount Rushmore selbst für einen der ganz großen US-Präsidenten hielt – und für einen Hüter der Geschichte sowieso. Man könnte die Inszenierung kindisch nennen, wenn sie nicht so faschistoid wäre. Während sich im ganzen Land die Wut der Black-Lives-Matter-Protestanten an den Denkmälern der weißen Vorherrschaft austobt, präsentierte Trump im Anschluss an die spalterische Heldenfeier im Lakota-Land per Präsidentenerlass noch den Eilauftrag zur Errichtung eines »National Garden of American Heroes«. Anfang September, also noch rechtzeitig vor der Wahl, soll eine »Task-Force« detaillierte Pläne für dieses Disneyland der nationalen Identifikationsfiguren präsentieren. 32 Namen, vom Gründervater John Adams bis zu den Flugpionieren Gebrüder Wright, wurden schon einmal präsidial festgelegt, und auch, dass die Darstellung »naturgetreu oder realistisch«, keinesfalls jedoch »abstrakt oder modernistisch« auszufallen habe.
Die Idee ist heute völlig antiquiert und hat nicht einmal funktioniert, als sie noch neu und originell war. Der bayerische König Ludwig I. plante seine germanische »Walhalla« in Parthenonform vor dem Hintergrund der Napoleonischen Kriege. Hoch über der Donau bei Regensburg versammelte er viele Helden (und tatsächlich auch ein paar Heldinnen) »teutscher Zunge« unter dem Tempeldach, um der Nation ein gemeinsames Zentrum der Erinnerung zu geben. Schon bei der Eröffnung 1842 gab es Ärger, weil Martin Luther fehlte, der freilich nicht eben vielen Katholiken als leuchtendes Vorbild galt, Heinrich Heine spottete über die »marmorne Schädelstätte«. Seitdem wird das teutonische Pantheon per Beschluss des bayerischen Ministerrats stetig ergänzt, ist aber weder jemals stimmig geworden, noch hat es die Deutschen »teutscher« gemacht, wie von Ludwig vorgesehen. Es ist Kuriosum geblieben.
Wollen wir hoffen, dass der trumpistische Heldenhain-Plan mit dessen Abwahl flott in der Schublade verschwindet. Ansonsten könnte womöglich das Gleiche passieren wie in der Regensburger Walhalla: Ludwig fand prompt Eingang ins selbst erfundene Heldenreich, als erste Skulptur nach seinem Tod.
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