Wenn »Gemeinnützig« gegen »Gemeinfrei« streitet
Wenn »Gemeinnützig« gegen »Gemeinfrei« streitet
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TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR chefredaktion@art-magazin.de -

Hoffentlich gemeinfrei: das Mannheimer Zeughaus, in dem heute ein Teil der Reiss-Engelhorn- Museen residieren, in einem alten Stich -

Richard-Wagner- Porträt von Cäsar Willich, treu reproduziert von Jean Christen, Hausfotograf der Reiss-Engelhorn-Museen
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
»gemeinfrei« ist kein schönes Wort, aber eine gute Sache. 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers erlöschen auch seine Urheberrechte, das Werk geht gewissermaßen in unser aller Vermögen über – nicht das Objekt an sich natürlich, das ja einen Eigentümer hat, aber über Reproduktionen kann eigentlich jeder frei und nach Belieben verfügen. Das stellt nun ein Urteil des Berliner Landgerichts infrage. Die Mannheimer REISS-ENGELHORN-MUSEEN hatten gegen Wikipedia geklagt, weil die Online-Enzyklopädie Reproduktionen verwendete, die der Museumsfotograf erstellt hat. Jeder könne sich die Bilder hier herunterladen und auch für kommerzielle Zwecke nutzen, beispielsweise auf Tassen oder T-Shirts drucken. Man möchte da ein Mitspracherecht. Das Gericht erkannte in den werkgetreuen Ablichtungen eigene Schöpfungen, die ein neues Urheberrecht begründen, das nun quasi per Anstellungsvertrag beim Museum liegt.
Die Gemeinfreiheit ist damit gründlich passé. Denn mit einem schlichten Fotografierverbot per Hausrecht wie bei den Reiss-Engelhorns in Mannheim kann sich nun jedes Museum die Urheberrechte jahrhundertealter Kunst ganz einfach wieder zurückerobern. Nun geht der Trend zwar längst zum Scan, was die Frage aufwirft, ob künftig auch hier das Personal oder der Lithograf, der die Daten dem Original angleicht, als Schöpfer gelten.
Wenn jemand das hohe Handwerk guter Reprofotografen zu schätzen weiß, dann gewiss die Redaktion eines Kunstmagazins. Und selbstverständlich ist jeder immer frei, sich Rechte im größtmöglichen Umfang vor Gericht zu erstreiten. Aber man fragt sich trotzdem, was ein öffentliches Museum reitet, das als »gemeinnützige GmbH« firmiert, gegen ein nicht kommerzielles Projekt zu prozessieren, das es sich zum Ziel gesetzt hat, das Wissen der Welt der ganzen Welt auch zugänglich zu machen. Dagegen scheint ein ungenehmigtes Wagner-Shirt doch eigentlich verschmerzbar, sollte man meinen.
Diese Haltung widerspricht nicht nur dem Bildungsauftrag der Museen, sie wird sich auf lange Sicht auch kommerziell als unklug erweisen. Denn nichts wirbt besser für den Standort eines Originals, als gemeinfreie Bilder, die durch die Welt geistern.
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