Gibt ein Künstler den Dienstleister, wird er auch so kujoniert
Gibt ein Künstler den Dienstleister, wird er auch so kujoniert
Liebe Leserin, lieber Leser ,
ein bemerkenswertes Urteil aus Rotterdam wirft ein Schlaglicht auf den kommerzialisierten Kunstbetrieb – und darauf, wie er die Definition von künstlerischer Freiheit verändert. Danh Vo, der gerade in Venedig parallel den dänischen Pavillon auf der Biennale und das Museum PUNTA DELLA DOGANA des Sammlers FranÇois Pinault mit der fantastischen Schau »Slip of The Tongue« (ART 5/2015) bespielt, hatte sich (angeblich und wohl nur mündlich) verpflichtet, Bert Kreuk ein raumfüllendes Werk für dessen Schau »Grensverleggend« 2013 im GEMEENTE MUSEUM DEN HAAG zu liefern. »Grenzverschiebung« trifft es ganz gut: Der private Sammler durfte im öffentlichen Museum als Kurator seiner eigenen Werke agieren – und nutzte die Chancedes musealen Wertsteigerungsturbos prompt. Wenige Monatenach der Schau verkaufte er Werke von OSCAR MURILLO, Theaster Gates, Walead Besht und anderen bei SOTHEBY’S in LONDON. Danh Vo hatte statt eines exklusiven, nagelneuen Hauptwerks nur ein kleines, älteres als Leihgabe nach Den Haag gesandt. Kreuk behielt es nach der Schau als Pfand und verklagte Vo und seine Galeristin Isabella Bortolozzi auf rund 900 000 Euro Schadenersatz. Nun hat das Gericht ihm recht gegeben: Vo habe für Kreuk binnen Jahresfrist »ein großes und beeindruckendes Werk« zu schaffen und zum angeblich ursprünglich vereinbarten Preis von 350 000 Euro zu liefern. Für jeden Tag Verzug sind 10 000 Euro zu zahlen. Vo zeigt sich erbittert, weil seiner künstlerischen Freiheit beraubt. Er will Berufung einlegen.
Man ist geneigt, seine Empörung zu teilen: Werden jetzt freie Künstler schon wie säumige Fliesenleger behandelt, die ein Investor in Regress nimmt, weil eine Immobilie nicht bezugsfertig wird? Aber so einfach ist es nicht. Bert Kreuk ist ein berüchtigter »Art Flipper«, der gezielt Werke für den Wiederverkauf erwirbt, also vielmehr ein Spekulant als ein Sammler. Dass das GEMEENTEMUSEUM als Hochburg der Moderne diesem Treiben eine Bühne bietet, ist ebenso falsch, wie es von Künstlern wie Danh Vo naiv ist, bei diesem Stück ohne Not mitzuspielen. Wer sich wie ein Dienstleister verdingt, so sieht es das Gericht, muss damit rechnen, auch so kujoniert zu werden.
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Bert Kreuk will Danh Vo zwingen, ihm ein »großes und beeindruckendes « Werk wie dessen Replik der Lady Liberty zu liefern -

Der aber hatte ihm nur »Fiat veritas, et pereat mundus« geliehen: »Es werde Wahrheit, und sollte die Welt darüber untergehen«
PS: Letzte Chance: Noch bis 17. August läuft unser Fotowett- bewerb »Deutschlandbilder 2015« auf art-magazin.de – jetzt mitmachen und eine Reise nach Venedig gewinnen!