Wenn der Wahnsinn mal nicht nur Methode ist
Wenn der Wahnsinn mal nicht nur Methode ist
-

TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR chefredaktion@art-magazin.de -

Zwei Simulationen der in Duisburg geplanten Installation Totlast, eine Zwangsführung aus Tunnelröhren und Räumen sollte aus dem Lehmbruck-Museum ins Freie führen -
-

Gregor Schneider und die perfekte Spießerfassade, die er der Synagoge Stommeln vorgeblendet hat -
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
an Gregor Schneider kann man studieren, wie schwer sich der Kunstbetrieb mit Künstlern tut, bei denen der Wahnsinn nicht nur Methode ist. Wirklichen Künstlern also. Dass die Politik mit ihm Probleme hat, ist ohnehin selbstverständlich: Schneider erzwingt, die Grenzen des Erträglichen zu definieren.
Auch ich war mir bei manchen seiner Projekte nicht sicher, ob die Provokation zum plumpen Zweck wird oder das grenzwertige Anliegen aus einem besonderen, eben anstößigen Denken kommt. Zur Biennale 2005 wollte Schneider die Kaaba von Mekka auf dem Markusplatz von Venedig nachbilden. Das habe ich als abwegig und gefährlich empfunden. Vermutlich zu Unrecht. Als die Arbeit dann 2007 an der Hamburger Kunsthalle aufgestellt wurde, erwies sie sich als denkbar harmloser Kunstwürfel. 2008 spielte Schneider in einem Interview mit dem Gedanken, den Tod ins Museum zu holen, einen sterbenden Menschen auszustellen. Das brachte ihm den Ruf eines Irrsinnigen ein, eines gewissenlosen Spekulanten der Kunstfreiheit, mit dem man besser keine Pläne schmiedet.
Nach dem Sturm der Entrüstung wurde es still um Gregor Schneider, der 2001 mit Totes Haus u r den Goldenen Löwen der Venedig-Biennale gewonnen hatte. Aus dem Hoffnungsträger war ein Skandalhansel geworden, die Museen mieden ihn. Und auch in unserem Magazin spielte er ein paar Jahre keine Rolle.
Nun meldet er sich mit zwei großartigen Installationen in Köln und Pulheim zurück - und mit einem schon fast notorischen Verbotsskandal. Grund genug, Gregor Schneider wieder zum Interview zu treffen. Lesen Sie den Bericht, der auch manches unserer Vorurteile korrigiert, ab Seite 84. Dass der Duisburger Oberbürgermeister die zur Ruhrtriennale geplante Installation Totlast mit Verweis auf das Loveparade-Unglück absagte, ist erbärmlich. Warum sollte die Stadt »noch nicht reif dafür sein«, etwas zu erleben, das mit Angst und Beklemmung, nichts aber mit politischem Versagen zu tun hat? Das Verbot zeigt nur, dass es zu leicht geworden ist, Gregor Schneider auszubremsen.
PS :
Besonderen Spaß haben wir bei der Suche nach dem passenden Papier für unsere Klapper-Editionen. Für die Flagge von Robert Longo haben wir ein extra rauhes, festes ausgewählt