Schlossdebatte – und kein Ende

Schlossdebatte – und kein Ende

Tim Sommer, Chefredakteur

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  • In Berlin gibt die Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ Einblicke in das künftige Humboldt-Forum. Architekt Stella bleibt umstritten

Liebe Leserin, lieber Leser,

Berlins Mitte ist nach dem Abriss des Palastes der Republik ganz offen und aufgeräumt, aber so unübersichtlich war die Lage noch nie. Einheitsdenkmal: neu ausgeschrieben, Temporäre Kunsthalle: führungslos. Und jetzt ist auch noch der Gewinner des Wettbewerbs für das Stadtschloss durch Recherchen von art und „Zitty“ unter Beschuss geraten. Zwar be teuert Franco Stella, die formalen Voraussetzungen für die Teilnahme am Wettbewerb erfüllt zu haben, den Nachweis aber bleibt er schuldig. Zwar räumt der italienische Architekt ein, die in der Ausschreibung geforderte Auftragssumme für die Vorjahre nicht erreicht zu haben, behauptet aber, das Al ternativkriterium zu erfüllen, nämlich durchschnittlich drei angestellte Architekten gehabt zu haben. Rätselhaft: Keiner kennt diese Mitarbeiter, keiner weiß, was sie gebaut haben. Nun mag ja sein, dass Stella sein Büro ganz zweckfrei betreibt. Dann bleibt es aber unverständlich, warum das Bundes bauministerium seinen Architekten nicht aus der Schuss linie bringt. Es hat den Realisierungsvertrag mit Stella geschlossen, ohne vorab seine Angaben zu prüfen. Jetzt versäumt der Bauherr, seinen Architek ten zu schützen, indem er die Überprü fung nachholt und Stella ins Recht setzt.

Die Empörung ist groß: Bei vielen kleinen Büros, die wegen der Bedingungen gar nicht erst am Wettbewerb teilgenommen haben und bei den Architekten, die hier unterlegen waren, sich aber sonst einer üblichen Kontrolle unterwerfen müssen, die beim Prestigeprojekt Schloss offenbar für unnötig befunden wurde. Jan Kleihues, der beim Wettbewerb einen der dritten Preise gewonnen hat, moniert: „Ich glaube, man hatte gar kein Interesse, das zu überprüfen. Man war froh, dass man mit Franco Stella jemanden hat, der nirgendwo aneckt.“ Sein Kollege Hans Kollhoff, ebenfalls mit einem dritten Preis bedacht, hat eine Rüge eingereicht, die die Kontrolle der Wettbewerbskriterien anmahnt: „Das verlangt die Fairness gegenüber allen Wettbewerbsteilnehmern.“

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zeigt in einer Ausstellung im Alten Museum (bis zum 17. Januar 2010) ihre Visionen für das geplante Humboldt-Forum im Schloss, das ein Kulturort ganz neuen Typs, ein „Centre Pompidou des 21. Jahrhunderts“ werden soll. Wenn das ehrgeizigste Projekt der deutschen Kulturpolitik endlich ins Lot kommen soll, muss Klarheit über das Schloss geschaffen werden, damit die Diskussion über dessen Inhalte nicht beschädigt wird.