Editorial
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Liebe Leserin, lieber Leser, nun also kommt das große Guggenheim zum Gastspiel ins kleine Bonn. 800000 Besucher werden erwartet, und vermutlich ist das sogar vorsichtig geschätzt. Regelmäßig wurden in den letzten zwei Jahren die Prognosen für solche Großausstellungen übertroffen, die ja auch finanzielle Wagnisse sind. Cézanne in Essen: 382 000 Besucher. Van Gogh in Bremen: 322000 Besucher. Franz Marc in München: 300000 Besucher. Sogar die Melancholie- Schau in Berlin brachte ohne zugkräftigen Namen im Titel auf 270 000 Besucher, erwartet hatte man maximal 150 000. Der Katalog (alles andere als ein theoriefreies Bilderbuch) war, bitter für Veranstalter, Verlag und Besucher, zwischenzeitlich ausverkauft. Begonnen hat dieses neue deutsche Kunstwunder mit der MoMA-Schau 2004 in der Berliner Neuen Nationalgalerie. Als die Veranstalter damals vorab verkündeten, dass sie mit 700000 Besucher rechnen, schmunzelte man über so viel Optimismus seitens der Freunde der Neuen Nationalgalerie, die das finanzielle Risiko trugen. Ob es denn noch Sinn hat, in Zeiten von Globalisierung und Internet ein ganzes Museum aus Amerika nach Europa zu verfrachten, wurde gefragt.

Gekommen sind dann 1,2 Millionen Besucher. Die Ausstellung schloss mit 6 Millionen Euro Gewinn, die heute den Ankauf junger Kunst finanzieren. Die Stunden in der mythenumwobenen „MoMA-Schlange“ haben vielleicht ebenso viel Gemeinsinn gestiftet und prägende Erlebnisse beschert wie dann die Begegnung mit den Bildern. Aber das ist ja die gute Nachricht: Im Zeitalter von Fernsehen und Reproduktion ist die Sehnsucht nach dem Original, dem Echten und Einzigen so stark, dass Menschen dafür bereit sind, sich stundenlang anzustellen.
Auch die Geschichte des Guggenheim ist transatlantisch: Von den Gründungsplänen, welche die deutsche Künstlerin Hilla von Rebay dem Kupfermagnaten Salomon R. Guggenheim einflüsterte, bis hin zu den Welteroberungsfantasien des heutigen Direktors Thomas Krens. Wir erzählen auf 18 Seiten die Geschichte dieses einzigartigen Museums der modernen Kunst. Vielleicht verkürzt Ihnen die Lektüre ja die Wartezeit in Bonn.
Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich die Redaktion von Axel Hecht, der nach 28 Jahren als Chefredakteur und Herausgeber in den Ruhestand wechselt. Er hat art gegründet und mehr als jeder andere geprägt. Wir danken für die gemeinsame Zeit und versprechen, auch in Zukunft seiner wichtigsten Maxime zu folgen: „An die Leser denkenl“