Liebe Leserin, lieber Leser,

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Tim Sommer, Chefredakteur

eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion brachte Kulturstaatsministerin Christina Weiss in leichte Erkiärungsnot. Es ging um die Koordinierungssteile für Kulturgutverluste von Bund und Ländern, angesiedelt in Magdeburg. Seit dem Jahr 2000 ist deren Internetdatenbank „www.lostart.de“ online. Hier können Such- und Fundmeldungen zu Kunstwerken veröffentlicht werden, die während der Nazizeit ihren Eigentümern geraubt, beschlagnahmt, abgepresst worden sind. Fazit der Befragung: Das Instrument werde allseits sehr geschätzt, doch genutzt wird es höchst einseitig.

Am 31. Januar 2005 suchten 311 öffentliche Einrichtungen aus Deutschland über die Datenbank nach 53 404 verlorenen Kunstwerken, Münzen, Prunkwaffen oder Musikinstrumenten aus ihren einstigen Beständen. Dem standen gerade einmal 3860 Fundmeldungen von 49 deutschen Museen und Verwaltungen gegenüber. Lediglich vier Museen haben im vergangenen Jahr Bestände mit unklarer Provenienz im Netz veröffentlicht.

Ein peinlicher Befund: Nur wenige deutsche Museen, darunter die Hamburger Kunsthalle und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, suchen noch aktiv in ihren Depots, Archiven und Schausammlungen nach Werken, die sie unrechtmäßig besitzen. Die Magdeburger Koordinierungsstelle selbst kann nur vermitteln.

Solange die öffentlichen Institutionen dergestalt mauern, sind die Erben von Nazi-Opfern auf die Hilfe privater Kunstdetektive wie Clemens Toussaint angewiesen, wenn sie ihre Rechte durchsetzen wollen. Toussaint und sein Team verfolgen im Auftrag der Erbinnen die Spuren der Sammlung des legendären jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker. Reichsmarschall Hermann Göring hatte sich die Bilder gleich nach der Besetzung der Niederlande 1940 zum Vorzugspreis gesichert. Toussaint empfing art-Korrespondentin Kerstin Schweighöfer zum exklusiven Interview in seinem Amsterdamer Hauptbüro ganz in der Nähe von Goudstikkers einstiger Galerie in der Herengracht 458. Eine Mitarbeiterin des Teams wühlt sich durch die Inventarlisten von 160 deutschen Museen, eine Kollegin geht bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Künstler nach dem anderen durch: „Es ist Wahnsinn, aber anders geht es nicht“, kommentiert der Kunstwissenschaftler Jan Thomas Köhler, der mit Toussaint in Amsterdam arbeitet. Das Team wurde bei seinen Recherchen nicht nur in Museen fündig, sondern auch in deutschen Privat- und Firmensammlungen. In Deutschland, so Toussaint, „wird wegen der Verjährungsfrist immer noch der Standpunkt vertreten: Was wollt ihr eigentlich, juristisch lässt sich da sowieso nichts mehr machen“. Bei wenig bedeutenden Kunstwerken sei die Rückgabe oft kein Problem. „Aber bei wertvollen Objekten schicken sie ihre Anwälte, und dann wird es teuer“, so Toussaint - der freilich auch nicht verrät, wie viel Geld er mit der Raubkunst-Recherche verdient, die eigentlich Sache von Bund und Ländern wäre. Lesen sie Kerstin Schweighöfers Bericht ab Seite 40.

  • Auf der Spur von Hermann Görings Kriegsbeute: art-Korrespondentin Kerstin Schweighöfer bei „Kunstdetektiv“ Clemens Toussaint
  • Kontaktpflege in China: art-Redakteur Ralf Schlüter in einem Mao-Themenrestaurant in Shenyang

Das Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner baut in Peking ein Museum, größer als der Louvre. Das Frankfurter Büro Albert Speer & Partner plant eine Siedlung für 50 000 Menschen in Shanghai. Keine Frage: Das Wirtschaftswunderland China liebt die deutsche Architektur, die Klarheit, die aus dem Bauhaus kommt. Dabei ist die Zusammenarbeit mit chinesischen Bauherren und Architekten ein komplizierter Prozess, in dem es auch immer wieder zu Missverständnissen kommt. Das musste auch art-Redakteur Ralf Schlüter erfahren, der auf den Spuren des deutschen Architekturbooms Martin Kreienbaum vom Hamburger Büro Gössler Architekten zur Präsentation eines Entwurfs nach Shenyang in die Mandschurei begleitete. Während hiesige Architekten das sachorientierte Gespräch gewohnt sind, steht in China die Pflege der sozialen Kontakte eindeutig im Vordergrund: Bei etlichen, sehr ausführlichen gemeinsamen Essen wird zunächst Freundschaft geschlossen - die Grundlage für gemeinsame Geschäfte. Auch unser Reporter musste bei dieser Gelegenheit allerlei seltsame Fragen beantworten. So wollte eine Übersetzerin in Shenyang von ihm wissen, ob sein Leben genauso glamourös sei wie das der Kolumnistin Carrie aus der TV-Serie „Sex and the City“. Schlüter antwortete diplomatisch: „Nicht ganz.“ Lesen Sie seinen Bericht ab Seite 56.