Ein Mahnmal für die Vergeblichkeit
Ein Mahnmal für die Vergeblichkeit

Liebe Leserin, lieber Leser, gibt es erst einen Bundestagsbeschluss, ist das Unheil nicht mehr aufzuhalten: Wie beim Berliner Stadtschloss hat auch beim Einheitsdenkmal eine kleine Lobbygruppe fleißig gearbeitet. Ist erst das Geld bewilligt, läuft erst der Wettbewerb, nützt alles Fragen nach Sinn und Zweck des Unterfangens gar nichts mehr. Es wird gebaut, was keiner braucht und eigentlich auch keiner mag.
Als „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ auf dem verbliebenen Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals gegenüber dem Berliner Lustgarten soll nun ein Ding fungieren, das mit „Obstschale“ und „Jahrmarktwippe“ ganz treffend beschrieben ist. Der Entwurf „Bürger in Bewegung“ des Stuttgarter Eventbüros Milla & Partner und der Berliner Choreografin Sasha Waltz sieht vor, dass die Leute eine beheizbare (Achtung: Vereisungsgefahr) und asphaltierte (Achtung: Verweis auf die Rolle der Straße im Revolutionsprozess) Riesenschüssel durch die geballte Last ihrer Leiber träge mal hierhin, mal dorthin neigen. Das ist vielleicht ein Mahnmal für die Vergeblichkeit allen menschlichen Strebens, ein Monument der Stagnation oder ein Denkmal für das Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg. Aber was hat es mit Freiheit, was mit dem Aufbruch von 1989 zu tun?

Meinhard von Gerkan, Vorsitzender der Jury, ist vor der Endabstimmung zurückgetreten, um den Weg zur geforderten Einstimmigkeit freizumachen. Der Druck war übergroß, nachdem der Wettbewerb schon einmal an der schieren Belanglosigkeit der eingereichten Arbeiten gescheitert war. Die Angst der Jury, sich dadurch zu blamieren, dass sie wieder zu keinem Ergebnis kommt, war größer als die, sich mit dem Ergebnis zu blamieren. Aber das wird nun geschehen. „Missverständlich, kitschig, vordergründig“ nennt von Gerkan den Siegerentwurf in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich bin der Meinung, es ist besser, man lässt es bleiben, als dass man sich damit lächerlich macht und das Ereignis als solches auch noch verhöhnt.“ Helfen wird das späte Gezeter nichts mehr. Es wird gebaut. Und die Massen werden sich weiter am Brandenburger Tor der Einheit und Freiheit freuen, während Politiker stolz Kränze an ihre neue Alessi-Schüssel lehnen.