Liebe Leserin, lieber Leser,

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Tim Sommer, Chefredakteur

in den russischen Museen ist auch 60 Jahre nach der deutschen Kapitulation der Krieg noch nicht vorbei. Täuschungsmanöver, Provokationen, Bruch des Völkerrechts finden kein Ende. Während die Staatschefs der einstigen Kriegsgegner zum Jubiläum öffentlich die Versöhnung zelebrierten, eröffnete Direktorin Irina Antonowa im Moskauer Puschkin-Museum die Ausstellung „Archäologie des Krieges. Rückkehr aus dem Nichts“ - eine Trophäenschau mit rund 350 antiken Vasen, Statuetten und Terrakotten, überwiegend aus Beständen der Berliner Antikensammlung. Sie lagerten bei Kriegsende im Flakturm Friedrichshain, der wie der Bunker am Zoo von den sowjetischen Trophäenjägern ausgeräumt wurde. Zwei Jahre lang hat Restauratorin Ljudmila Akimowa gepuzzelt, um die Antiken aus Scherben wiedererstehen zu lassen, die in Geheimdepots des Puschkin-Museums lagerten.

Zur Vernissage verkündete die 82-jährige Antonowa, die SS habe die Bunker gesprengt, wobei auch die Antiken zu Bruch gegangen seien. Dieser Legende widerspricht die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als rechtmäßige Eigentümerin: Beide Bunker sind unversehrt an die Rote Armee übergeben worden. Erst zwischen dem 14. und 18. Mai 1945 brannte der Friedrichshainer Bunker vollständig aus.

  • Symbolpolitik zum Jubiläum des Kriegsendes: Auf Schloss Peterhof übergeben Kulturstaatsministerin Christina Weiss und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Klaus-Dieter Lehmann (links) eine Kopie des „Betenden Knaben“ an Museumsdirektor Vadim Znamenow.
  • Die Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums Irina Antonowa präsentiert Ihren Katalog „Archäologie des Krieges“

So erfreulich es ist, dass die Berliner Antiken nun restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich sind: Die Moskauer Schau ist ein Skandal. Sie ist unrechtmäßig, unzeitgemäß und kontraproduktiv - auch weil sie ohne Wissen und Mitwirkung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zustande kam. Auch sonst bleiben für deutsche Forscher die russischen Geheimdepots tabu. Seit dem fatalen Duma-Gesetz von 1998 bewegt sich in Sachen Beutekunst fast nichts mehr. In welchem Zustand die verschleppten Werke sind, bleibt oft geheim. „So sollten Freunde nicht miteinander umgehen“, tadelte Kulturstaatsministerin Christina Weiss und griff auf Schloss Peterhof bei St. Petersburg die russische Beutekunstpolitik endlich klar und deutlich an. Sie übergab zum Jubiläum eine neue Kopie des „Betenden Knaben“, auch aus der Berliner Antikensammlung. Deutsche Soldaten hatten das Geschenk des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. an Zar Nikolaus I. zerstört, wie sie ungezählte Werke der russischen Kultur vernichteten. Ein Symbol ohne Wirkung?

Wenn Deutschland seine verlorenen Schätze zurückhaben will, muss es auf dem Völkerrecht beharren - und die Volksmeinung in Russland für sich gewinnen. Gegen mächtige Altkader wie Irina Antonowa.