Rolle rückwärts in die Zukunft

Rolle rückwärts in die Zukunft

Tim Sommer, Chefredakteur chefredaktion@art-magazin.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Lenbachhaus in München und das Amsterdamer Rijksmuseum sind eigentlich nicht zu vergleichen: hier die intime Städtische Galerie in der Villa des Malerfürsten, dort die Kathedrale für die Nationalheiligtümer der Niederlande. Hier ein Haus der Moderne mit einer einzigartigen Sammlung von Bildern des „Blauen Reiters“. Dort ein kunsthistorisches Museum aller Epochen mit Schwerpunkt auf dem Goldenen Zeitalter. Doch wenn jetzt die beiden Häuser nach jahrelanger Schließung verwandelt wieder eröffnen, zeigen sie ganz paradigmatisch zwei Königswege klassischer Museen, neu auf die Besucher zuzugehen.

Das müssen sie auch, um nicht Opfer des eigenen Erfolgs zu werden. Die Anforderungen haben sich geändert: Weder Ruhmeshallen noch Besinnungszellen sind gefragt, Museen heute müssen intensiv vermitteln - und sie müssen gleichzeitig massentauglich sein.

Das Lenbachhaus setzt auf Erweiterung: Der Anbau von Foster & Partners gibt dem sympathischen Dauerprovisorium in der Maxvorstadt endlich ein richtiges Foyer und Ausstellungssäle mit Oberlicht. Der Charme der knarrenden Dielen mag dahin sein - aber auch ein Museum ist schließlich ein Zweckbau, nur die Bühne für die Inszenierung der Kunst.

Das Rijksmuseum geht den umgekehrten Weg der Rückbesinnung. Die spanischen Architekten Cruz y Ortiz entdecken den historistischen Kunstpalast am Museumsplein neu, indem sie die ursprüngliche großzügige Raumstruktur ebenso wieder freilegen wie die überpinselten Ornamente und goldenen Schnörkel, die zwischenzeitlich der Ideologie vom weißen Kubus zum Opfer gefallen waren. Unglaubliche zehn Jahre hat diese Rolle rückwärts in die Zukunft gedauert - und jetzt gibt es sogar weniger Ausstellungsfläche als früher.

Ob sich die Häuser bewähren werden, die wir für Sie (ab Seite 34) vorab besucht haben? Beide Umbauten wurden in den Städten heiß diskutiert. In München stört man sich an der Fassade, in Amsterdam ging es um Fahrradwege. Jetzt folgt der Stresstest namens Alltag. Auch im Museumsbau gibt es keine Weisheiten für die Ewigkeit: In Mannheim feiert man eben den Abriss eines gerade 30-jährigen Museumsgebäudes mit einer letzten, wilden Schau (ab Seite 68). Danach wird … neu gebaut!

  • Rückbau in Amsterdam, Neubau in München, Abriss in Mannheim - auch in der Museumsarchitektur ist nichts für die Ewigkeit