Frust ist kein Lockstoff für Sponsoren

Frust ist kein Lockstoff für Sponsoren

Tim Sommer, Chefredakteur

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  • Museen mit ähnlicher Geschichte und ungleicher Gegenwart: das Städel in Frankfurt/M. (oben) und die Hamburger Kunsthalle

Liebe Leserin, lieber Leser ,

Vergleiche hinken, oft sind sie nicht ganz fair. Aber man darf schon fragen: Warum läuft in Frankfurt alles richtig und in Hamburg alles falsch? Das Städel-Museum und die Hamburger Kunsthalle haben eine ähnliche Geschichte. Beide wurden von Bürgern gegründet, aus kleinen Konvoluten entstanden durch kontinuierliches Engagement über gute und miese Zeiten hinweg glanzvolle Sammlungen in stolzen Gebäuden. Noch in den neunziger Jahren waren die Häuser gleichauf in Anspruch und Wirkung. In Frankfurt wurde 1990 der Erweiterungsbau von Gustav Peichl eingeweiht, die Hamburger Kunsthalle eröffnete 1997 die Galerie der Gegenwart von Oswald Mathias Ungers. Hier wie dort gab es regelmäßig ehrgeizige, publikumsträchtige Ausstellungen von überregionaler Bedeutung.

Heute: In Frankfurt wird wieder neu gebaut, und es folgen fantastische Ausstellungen – Ernst Ludwig Kirchner (dieses Heft) auf Botticelli (art 12/2009) – so dicht, dass wir gar nicht anders können, als ständig Städel-Titelgeschichten zu machen. In Hamburg zeigt man derweil die „Pop Life“-Ausstellung als geschrumpfte Übernahme aus der Londoner Tate Modern und kämpft hauptamtlich ums schiere Überleben. Natürlich hängt das auch von den Direktoren (in Frankfurt Max Hollein, in Hamburg Hubertus Gaßner) ab, die das Profil der Häuser prägen und durch persönliches Geschick und gute Verbindungen hier glücklich, dort weniger erfolgreich die private Kofinanzierung sicherstellen. Aber ihr Handlungsrahmen wird von der Politik bestimmt.

In Hamburg begann der Abstieg 1999 mit einer verpfuschten Strukturreform, die das Museum aus der staatlichen Trägerschaft entließ und in eine Stiftung öffentlichen Rechts überführte. Ein Modell, das sich beispielsweise in Frankfurt traditionell bestens bewährt. Statt aber die damals schon bestehende Finanzierungslücke zu schließen und für Startkapital zu sorgen, wurde die Unteralimentierung zementiert – und die Verantwortung dafür auf die scheinbar selbständig, in Wirklichkeit aber abhängig agierende Stiftung übertragen. Während Hamburg Abermillionen in das schreckliche Maritime Museum für den Privatsammler Peter Tamm pumpte und sich eben an der Elbphilharmonie furchtbar verhebt, wurde die Kunsthalle systematisch vernachlässigt und dadurch sukzessive das Renommee verspielt. Statt über Ausstellungen redet man in Hamburg über eklatante Defizite und notorische Finanzspritzen, führt eine populistische Debatte um den Verkauf von Museumsgut und verkündet nun eine Reform der Reform, die der Stadt wieder über die Mehr heit im Stiftungsrat den Durchgriff wie in alten Zeiten sichert. Um Sonderausstellungen zu finanzieren, soll sich der Direktor jetzt um Mittel aus einem Fonds bewerben, weil eine Expertenkommission die Sammlung allein schön genug für die Besucher fand. Emanzipation, wie sie der frühere Museumsdirektor Uwe M. Schneede mit seinem Stiftungsmodell im Sinn hatte, sieht anders aus. Und Glanz, siehe Frankfurt, wird man so nie erzeugen. Im Kunstbetrieb, wie überall, macht der Erfolg erfolgreich. Max Hollein wird seinen illustren Kreis von Förderern leicht für neue Projekte begeistern, er agiert aus der Position der Stärke. Gaßner muss weiter die Armut verwalten, bitten, barmen und verteidigen. Mitleid zu erregen war aber noch nie eine gute Balzstrategie, Frust ist kein Lockstoff für Sponsoren.