Die Schwarze Kunst und das Patentrecht

Die Schwarze Kunst und das Patentrecht

Tim Sommer, Chefredakteur chefredaktion@art-magazin.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

zumindest eingebildete Patente sind sehr häufig in Besitz von Künstlern. Kaum behaupten wir in einem art-Text (ich wähle ein fiktives Beispiel, um keinen Ärger zu bekommen), eine Künstlerin habe erstmalig einen kompletten Motorblock auf ein Tafelbild geschraubt, meldet sich garantiert ein älterer Herr per Einschreiben, der das schon 1967 bei seiner legendären Ausstellung in der Kreissparkasse Nörgelheim getan habe, eine vergilbte Kopie des Nörgelheimer Boten anbei. Nun ist die Heldenzeit der Nachkriegsmoderne bekanntlich vorbei, in der jede kühne Tat der Kunst Neuland erschloss und dessen Entdecker die Fahne seines Avantgardistentums auf den ehemals weißen Flecken pflanzen konnte: erste geschlitzte Leinwand, erstes Nagelbild, erster schiefer Rahmen …

Da auch große Heldentaten manchmal einfach in Vergessenheit geraten, ist längst nicht jede Neuerfindung gleich ein Plagiat. Was wiederum nicht ausschließt, dass Künstler das postmoderne Laisser-faire nutzen, um sich kurzerhand das Erfolgsrezept eines Kollegen anzueignen.

Das muss den indisch-britischen Großkünstler Sir Anish Kapoor nun bewogen haben, sich den Gebrauch einer Farbe - oder genauer: eines Materials - exklusiv zu sichern. Es ist nicht irgendeine Farbe, sondern das angeblich »schwärzeste Schwarz der Welt«, ein Hightech-Produkt aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, gut zu gebrauchen von Wissenschaft und Militär. »Vantablack « schluckt 99,96 Prozent des Lichts und lässt so jede Oberflächenstruktur komplett verschwinden. Wer es betrachtet, so heißt es, schaue wie in ein unendlich tiefes Loch - oder gleich auf die Unendlichkeit selbst. Details des (bislang unbestätigten) Deals mit dem Hersteller sind nicht bekannt, vermutlich beschränken sich Kapoors Rechte auf den künstlerischen Bereich. Und dort gab es gleich Ärger. Kapoor, der auch ein Großverdiener ist, habe andere Künstler vom Gebrauch eines Materials ausgeschlossen und so die Freiheit der Kunst attackiert. Das ist wirklich kein ritterlicher Winkelzug des Sir Anish. Andererseits - womöglich hat er uns von einer ganzen neuen Kunstrichtung freigekauft: der Neuen Unendlichkeit!

  • Wundermittel Vantablack: schluckt jede Knitterfalte weg!
  • Großkünstler Sir Anish Kapoor hat sich angeblich den künstlerischen Gebrauch des Hightech-Materials exklusiv gesichert
  • Yves Klein ließ sich sein »IKB« 1960 als Patent eintragen - allerdings hatte er sein Blau noch selbst entwickelt L’accord bleu, 1960, 199 x 163 x 13 cm

In diesem Jahr findet die Art Cologne zum 50. Mal statt. Wir gratulieren mit einem Extra-Heft und freuen uns auf Ihren Besuch an unserem Messestand. Mit Ihrer artcard für zwei Personen zum ermäßigten Preis!