Der islamistische »Bilderwahn« erreicht die Museen
Der islamistische »Bilderwahn« erreicht die Museen
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
wir leben in der Zeit eines neuen »Bilderwahns«. In einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung«, geführt im Januar unter dem Eindruck des Anschlags auf die Redaktion des französischen Satiremagazins »Charlie Hebdo«, erklärte der Berliner Kunstwissenschaftler Horst Bredekamp den Zusammenhang von Bildersturm und Mord: In der abendländischen Tradition hat sich das Bild emanzipiert, in einem quälenden Prozess mit vielen Rückschlägen haben wir schließlich gelernt, »zwischen Bild und Gott, Bild und Körper« zu unterscheiden. Wo dieser Unterschied nicht gemacht wird, werden Karikaturisten für ihre Zeichnungen ermordet und Kunstwerke zerstört für das, was sie darstellen.
Das Perfide am islamistischen Terrorismus ist, dass hier archaisch brutale Bilderstürmer-Reflexe mit einem höchst modernen Wissen um die Macht der Bilder einhergehen: Grausame Morde geschehen, jahrhundertealte Minarette fallen, nur um Bilder von diesen Schandtaten zu erstellen, Bilder, die uns durch Entsetzen lähmen sollen. Paralyse durch Entsetzen, das war schon die Taktik von Dschingis Khan. Das Propagandavideo, das uns nun aus dem archäologischen Museum im irakischen Mossul erreicht, gibt diesem Bilderwahn eine weitere Dimension: Wir sehen Männer, die jahrtausendealte Skulpturen des vorantiken Ninive von ihren Sockeln stoßen, wir sehen sie mit Vorschlaghämmern und Bohrmeißeln wüten, bis nur noch Schotter bleibt. Fast wäre es eine gute Nachricht, wenn hier nur grenzenlose Dummheit am Werk wäre, die sich an Symbolen für Religionen abarbeitet, deren Göttern schon seit Jahrhunderten keiner mehr huldigt. Aber der Verdacht liegt nahe, dass mit diesen Schlägen nicht assyrische Gottheiten getroffen werden sollen. Den örtlichen Bewohnern soll ihre Verwurzelung und ihr Stolz genommen werden, der Welt aber wird gesagt: Wir verachten eure Werte, wir zerstören das Letzte, was euch Ungläubigen noch heilig ist.
Und wirklich trifft uns, wie die Sprengung der Buddhastatuen von Bamiyan durch die Taliban 2001, diese kalkulierte Barbarei gegen das Welterbe mitten ins Herz.
Bilder aus dem Propagandavideo: IS-Terroristen zerschlagen Originale und Kopien im Museum von Mossul
Ein Hoffnungszeichen: Fast zeitgleich eröffnete in Bagdad das Irakische Nationalmuseum wieder, das im letzten Golfkrieg geplündert worden war
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