Kunst in diplomatischer Mission

Kunst in diplomatischer Mission

Liebe Leserin, lieber Leser,

ganz scheint der Wettstreit um das weltgrößte Museum noch nicht entschieden, aber gigantisch ist das neue Chinesische Nationalmuseum in Peking auf jeden Fall. Die alte Ruhmeshalle der Revolution sieht nach dem Umbau durch das deutsche Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner mit ihren Pfeilerhallen und Kassettendecken immer noch ein bisschen aus wie ein Kriegsministerium, aber schließlich zählt der Inhalt. Und hier passiert Erstaunliches: Zur Eröffnung am 1. April wird neben der Dauerausstellung zur chinesischen Geschichte ein Jahr lang „Die Kunst der Aufklärung“ gezeigt, eine Gemeinschaftsschau der drei großen Museumsverbünde in Berlin, Dresden und München.

Das ist in mehrfacher Hinsicht ein Coup. Schon das Zusammengehen der deutschen Museen grenzt fast an ein Wunder des Kulturföderalismus. Vor allem weil die Schau, neben der Unterstützung des Hauptsponsors BMW, fast komplett aus dem Etat des Auswärtigen Amts bezahlt wird. Das ist ein völlig neuer Weg, eingeschlagen noch unter der Großen Koalition: Hier wird ganz gezielt und mit großer Geste Kunst als Mittel der Diplomatie eingesetzt. Es ist weitsichtig, nicht immer nur mit Wirtschaftsdelegationen loszuziehen, sondern den grundlegenden Wandel der Welt, den wir erleben, mit Bildung zu begleiten. Zumindest solange die Museen dabei nicht zum Werkzeug degradiert werden. Es geht gar nicht darum, Europa als Ideal und Muster zu propagieren, sondern zu zeigen, wie wir wurden, was wir sind. Wie in den arabischen Ländern, formt sich in China ein neues Selbstverständnis – aus der Entdeckung der eigenen

Tim Sommer, Chefredakteur

chefredaktion@art-magazin.de

Tradition und einem brennenden Interesse an anderen Kulturen. Deshalb hätte das Thema der deutschen Schau am Platz des Himmlischen Friedens nicht passender, aber auch kaum brisanter gesetzt werden können. Unser Verhältnis zur Natur, unser Individualismus, unser Misstrauen gegenüber allen Autoritäten und Glaubenssätzen, schließlich die moderne Demokratie wurden in der Epoche der Aufklärung begründet. Hundertausende Chinesen werden die Ausstellung sehen, am Platz des Massakers von 1989. Unsere Reportage ab Seite 44 heißt: „Die Freiheit zu Gast in Peking“.

  • Botschafterin der Freiheit: Gottlieb Schicks „Porträt der Heinrike Dannecker“ (1802) im Kleid der Französischen Revolution reist ins Nationalmuseum in Peking