Pop, der [engl.] (kurz Popmusik, Pop-Art u.a.)
Pop, der [engl.] (kurz Popmusik, Pop-Art u.a.)

Liebe Leserin, lieber Leser, mit diesem Heft startet unsere Serie über Pop. Alles klar, aber was ist das eigentlich? Wörter haben normalerweise eine Bedeutung, die kann sich wandeln, und manchmal ist es schwer, sie zu definieren. Dieses Phänomen der Wirklichkeit aber ist so grenzenlos, dass selbst der Duden kapituliert. „Pop, der [engl.] (kurz für Popmusik, Pop-Art u.a.)“ heißt es lapidar – und in dem „u.a.“ liegt die Krux.
Madonna, Lady Gaga, Paris Hilton: sowieso Pop. Obama: Pop. Freiherr zu Guttenberg: auch Pop! Ein Wort, das von einem Song bis zum Coffee to go alles bezeichnen kann, bezeichnet eigentlich nichts mehr. Pop, so muss man befürchten, hat sich zu Tode gesiegt, hat sich aufgelöst im Mainstream. Aber die Lage ist nicht hoffnungslos.
Die größte Kulturrevolution der westlichen Welt seit der Renaissance begann in der globalen Wirtschaftswunderzeit der Nachkriegsjahre, als sich in Amerika und Europa Künstler daran machten, den Kult um die herrschende abstrakte Kunst zu hintertreiben. Sie wandten sich dem Alltag zu, nutzten Comics, malten Colaflaschen und Rockund Hollywoodstars. Das war nichts weniger als die Neuerfindung des Realismus unter dem Vorzeichen des Kapitalismus. Nicht Rang, Ausbildung, Zugehörigkeit zählten fortan, sondern die Idee und ihr Vermarktungspotenzial. Das öffnete die Kultur für alle Begabten und Geschickten, von Ghettokind Keith Haring bis Börsenmakler Jeff Koons.
Von Beginn an war Pop beides: Systemkritik und Affirmation. Das zeigt sich in der Musik am deutlichsten, wo von Punk bis Hip-Hop jedes neue Ding aus dem Widerstand kam und zur Geldmaschine wurde. Aber auch der Kunstbetrieb hat sich als Abbild des ganz normalen Wirtschaftslebens erkannt – und spielt, oft bis zur Grenze der Erträglichkeit, mit den Chancen und Risiken der Selbstvermarktung. In drei Teilen werden wir die ganze Geschichte erzählen: von der Neuentdeckung der Wirklichkeit über ihre Veränderung durch die Kunst bis zum banalen Kommerz von Künstlermarken ohne Inhalt. Alles gut zu wissen, denn das ist das Beste an Pop: Man weiß wirklich nie, was als Nächstes kommt.
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Vermarktungsstufen: Andy Warhol fand seine Themen im Supermarkt, Keith Haring eröffnete einen Shop – und Damien Hirst kaperte gleich Sotheby’s