Liebe Leserin, lieber Leser,
Liebe Leserin, lieber Leser,

ein paar Jahre dauert der neue Boom des Kunstmarktes schon, aber nun erst treibt er seine wirklich exotischen Blüten. Geschlossene Kunstfonds etwa, wie den der Hamburger Kunstinvestment-Firma „Art Estate“, die heute Werke von Gerhard Richter bis Frank Stella einkauft, nur um sie planmäßig bis zum Stichtag am 31. Dezember 2021 wieder gewinnbringend zu versilbern. Die Anlage richte sich, so verrät der Prospekt in dürren Worten, „an langfristig orientierte Privatanleger, die im Rahmen des Vermögensauf-beziehungsweise -ausbaus die Effizienz ihres persönlichen Portfolios durch die Beimischung einer Kapitalanlage steigern wollen, die nicht oder nur gering mit den klassischen Anlageformen korreliert und die die Möglichkeiten eines äußerst attraktiven Marktes nutzt“.
Da packt Schöngeister natürlich das Grausen. Kunst hatte immer zwei Naturen, als ideeller Wert und als Handelsware. Aber bislang hatte man doch immer beides im Zusammenhang gesehen. Wie richtig das war, zeigt die Reportage unserer Kunstmarktexpertin Ute Thon ab Seite 42 dieses Heftes. Sie hat sich das Angebot der kühlen Hamburger Kunstbroker genauer angeschaut und deckt die erheblichen Risiken auf, die sich für Anleger ergeben, welche von der Kunst profitieren wollen, ohne Leidenschaft zu investieren. Dass es auch anders geht, zeigen die weiteren Beiträge im Kunstmarkt-Schwerpunkt dieses Heftes. Wir besuchen Don und Mera Rubell in Miami, die seit Jahrzehnten mit großem Gespür für die weltweiten Trends und Schwingungen des Kunstbetriebs an ihrer grandiosen Sammlung zeitgenössischer Kunst arbeiten. Wir sprechen mit der jungen Düsseldorfer Sammlerin Julia Stoschek, die in wenigen Jahren so viel Videokunst zusammengetragen hat, dass es für ein eigenes Museum reicht.

Wir prüfen die Konzepte der drei Messemacher Walter Gehlen von der neuen Düsseldorfer „dc“, Michael Neff von der frisch renovierten „fine art fair“ in Frankfurt am Main und Gérard Goodrow von der guten, alten „Art Cologne“, die in diesem Monat erstmals in direkter Konkurrenz um Galeristen, Sammler und Besucher kämpfen. Dass nicht alle drei deutschen Frühjahrsmessen eine Zukunft haben, ist schon vorab allen Beteiligten klar.
Zu den großen Mysterien des Kunstbetriebes gehört seit jeher die Frage, wie man denn die Preise für Bilder, Skulpturen oder Installationen festlegt. Deshalb freut es uns besonders, dass wir einen wirklichen Magier des Marktes gewinnen konnten, uns ein paar seiner Geheimnisse zu verraten: „Eigen-I-Art“-Galerist Gerd Harry Lybke, der Pate und Promoter der neuen figürlichen Malerei, erklärt in diesem Heft, wie er die Preise macht und steigen lässt, was er von Auktionen hält, an wen er verkauft und auch, warum Kunst-Investoren in seiner Galerie nichts bekommen; „Um diesen Fehler zu machen, habe ich zu wenig Ware.“