Liebe Leserin, lieber Leser,
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ausgerechnet der! Nun hat doch tatsächlich der oberste Staatsschützer in der Kunst der DDR, Willi Sitte, sein eigenes Museum bekommen: Ende Februar, zum 85. Geburtstag des Politkunstveteranen, wurde in Merseburg die „Willi-Sitte-Galerie“ eröffnet. Vorangetrieben hatte das Projekt eine seltsame Phalanx aus Lokalpolitikern und alten Weggefährten. Auch der MDR-Intendant hatte sich engagiert, ebenso wie DGBFunktionäre und die Kreissparkasse. Für 2,6 Millionen Euro aus öffentlichen Fördermitteln wurde ein barockes Stadtpalais, die ehemalige Domkurie, zur Ruhmeshalle umgebaut.
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Die Willi-Sitte-Galerie in Merseburg zeigt das Lebenswerk des Malers und SED-Funktionärs. -

Ex-Kanzler Gerhard Schröder beglückwünscht den 85-Jährigen bei der Eröffnung
Ein großer Künstler aber war Sitte zu keiner Zeit, nicht als Lehrling an der NS-Meisterschule für monumentale Malerei, nicht als Picasso-Verehrer nach dem Krieg, nicht als Schönfärber des DDR-Arbeitslebens, nicht als frohsinniger Fleischermeister unter den Nacktmalern. Willi Sitte gehört nicht in eine Liga mit Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig, mit denen er oft in einem Atemzug genannt wird, wenn es um die Kunst der DDR geht. Und er rangiert auch weit hinter vielen Kollegen aus dem Osten Deutschlands, denen vor der Wende die Chancen genommen wurden und die bis heute vergeblich um Anerkennung kämpfen. Willi Sitte wäre zeitlebens ein allenfalls zweitrangiger Maler geblieben, hätte ihm nicht ein weiteres Talent zu höchster Beachtung verhelfen: das zum Funktionär. Sitte hat es gnadenlos ausgebeutet. 14 Jahre lang führte er als Präsident den DDR-Künstlerverband, der ein Werkzeug der Diktatur war, keine Standesvertretung, wie harmlose Zeitgenossen meinen könnten. Bis ins ZK der SED hat der Machthunger den Hallenser Kunstprofessor getrieben. Eine traurige Karriere für jemanden, der einmal den Mut besessen hatte, sich im Krieg den italienischen Partisanen anzuschließen. Aber immerhin ein Lebenslauf vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, aus dem viel zu lernen wäre. Dazu aber hätte es wissenschaftlicher Bearbeitung bedurft, Recherchen in verschiedenen Archiven, vergleichender Forschung. Daran ist schon vor fünf Jahren mit großem Eklat eine Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg gescheitert - und auch in Merseburg werden keine Fragen gestellt, sondern nur Fanfaren geblasen.
Bitter ist: Sittes Strategie funktioniert, noch zählt sein Name etwas. Zwar interessiert sich kein Museumsdirektor mehr für ihn, Politiker aber finden Sitte immer noch toll. CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer gab sich in Merseburg die Ehre, Gerhard Schröder trat als Redner auf. Der schlimmste Fauxpas aber konnte vermieden werden: Als Kanzler hatte er zugesagt, als Exkanzler hat er gesprochen.