Laut, gut und rammelvoll: die erste Kinderbiennale

Laut, gut und rammelvoll: die erste Kinderbiennale

TIM SOMMER, CHEFREDAKTEUR

chefredaktion@art-magazin.de

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

es dröhnte und kreischte wie auf dem Schulhof, es roch wie in der Umkleidekabine der Turnhalle – aber es war gut und lustig. Der Ausflug zur rammelvollen KINDERBIENNALE im Dresdner JAPANISCHEN PALAIS gehört jedenfalls zu meinen schönsten und verrücktesten Kunsterlebnissen in letzter Zeit. Ja, KINDERBIENNALE! Die Idee stammt aus der NATIONAL GALLERY SINGAPORE, Generaldirektorin Marion Ackermann hat sie an die STAATLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN geholt – mit freiem Eintritt übrigens. Ein Kinderbeirat durfte mitkuratieren, aus 50 vorgeschlagenen Künstlerräumen haben diese ausgewiesenen Zielgruppenexperten zehn ausgewählt: einen riesigen runden Tisch mit einem unendlichen Vorrat aus weißen Legosteinen von Ólafur Elíasson etwa, das ist natürlich ein Traum. Der etwas angestrengte Titel The cubic structural evolution Project schien niemanden zu interessieren, und auch den Künstlernamen hat sich vermutlich keiner gemerkt – alles, was so auf den Etiketten steht, war hier wohltuend unwichtig.

Mitmachkunst ist ja auch auf den gewöhnlichen Biennalen ziemlich angesagt, trifft aber oft auf erhebliche Versteifungen beim schamhaften Ü-18-Rezipienten. Hier sah man zeitvergessene Wolkenkratzer-Konstrukteure stundenlang vertieft ins Traumschlossbauen. Im Sketch Aquarium von teamLab war schier die Hölle los: Man konnte sich seinen Fisch malen, scannen und so in ein virtuelles Aquarium setzen, wo er sich dann mit allen anderen tummelte. Einfacher Ansatz, Riesenwirkung. Wie auch im Mitmachatelier von Stephanie Lüning beim Farb-Eiswürfelmalen oder beim Draufstellkaleidoskop von Mark Justiniani. Der Bonbonteppich von Félix González-Torres war schon aufgefuttert, als ich kam. Allerdings sind Kinder auch ein erfrischend gnadenloses Publikum, das völlig ungerührt mit Nichtbeachtung straft: gähnende Leere vorm Video von Susan Hiller, lustloses Rumhängen bei Rivane Neuenschwander.

Es gibt zwar allerorten Vermittlungsprogramme und Kinderecken als Beiprogramm in den Museen – was mich in Dresden begeistert hat, war das ganz Ernsthafte, ganz Spielerische dieses musealen Rummelplatzes auf Zeit. Sollte es eher wieder geben als in zwei Jahren und gern auch in anderen Städten: Kinder im Museum als Hauptperson akzeptieren.

  • Lego-Bauen mit Ólafur Elíasson, Fische erschaffen mit teamLab, Farbschaumaktion mit Stephanie Lüning: Bei der Kinderbiennale wurde der Anhang endlich mal zur Hauptperson

PS : Mark Rothko forderte tiefe Andacht vor seinen Bildern. Sie finden unseren Sonderdruck in der Titelgeschichte zum Niederknien? Dann hätten wir unser Ziel erreicht!