Tiefe statt Breite! Mut zur Auswahl! Bedenke die Folgen!
Tiefe statt Breite! Mut zur Auswahl! Bedenke die Folgen!
Tim Sommer, Chefredakteur
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Nachhaltiges Sammeln“ nennt der Deutsche Museumsbund seinen neuen „Leitfaden zum Sammeln und Abgeben von Museumsgut“. Nachhaltig? In diesem Zusammenhang ist das Lieblingswort des ökologischen Zeitalters unfreiwillig komisch: Wie anders, als auf Dauer angelegt, können öffentliche Sammlungen denn sein? Und weder sind sie regenerierbar, noch ist Museumsgut ein nachwachsender Rohstoff. Und keinesfalls ist hier ja wohl grundsätzliche Wachstumsverweigerung gemeint.
Wenn man aber „nachhaltig“ durch ein zeitloses „bewusst“ ersetzt, bekommt der Leitfaden dann doch die ernsthafte Brisanz, die er verdient: Der Museumsbund unter der Führung von Volker Rodekamp, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, nimmt sich eines brennenden Themas an und schafft mit dem Positionspapier die Grundlage für einen überfälligen Prozess der Selbsterkenntnis in den deutschen Museen. Immer wieder geraten die Schätze öffentlicher Sammlungen ins Visier gieriger Kämmerer. Die Gegenwehr bedarf einer fundierten Strategie. Ebenso der Ausbau der Sammlungen, der oft mehr von den Zufällen privater Legate und Schenkungen als von zielgerichtetem Handeln bestimmt ist. Diese Leitsätze sollen helfen: „Sammle aktiv! Nimm nicht passiv alles entgegen! Tiefe statt Breite! Gewichten statt raffen! Mut zur Auswahl! Bedenke die Folgen!“
Zunächst fordert der Museumsbund etwas scheinbar Selbstverständliches: Jedes Museum soll sich eine schriftlich fixierte Sammlungskonzeption zulegen, die auf der genauen Kenntnis der eigenen Bestände basiert und Kriterien sowohl für Aufnahme neuer Objekte als auch für die tabuisierte Abgabe von Museumsgut enthält. Hier wird nun ein Prozedere vorgeschlagen, das konsequent auf Austausch zwischen den öffentlichen Häusern setzt und Verkauf nur in Ausnahmefällen zulässt – und dann nur transparent und zwingend zum Wohle der Sammlung, nicht für die fällige Dachreparatur.
Man darf gespannt und auch ein wenig skeptisch sein: Fangen die Museen nun an, Ihre Profile zu schärfen? Wird die geplante Datenbank des Museumsbundes zur Tauschbörse für Doubletten und Depot-Orchideen? Und was ist mit der Forderung, Museen sollten Schenkungen nur annehmen, wenn sie nicht mit Auflagen verbunden sind? Die Diskussion wird heiß!
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Oben Spitze, unten Masse: Wie das Frankfurter Städel (siehe Bericht auf Seite 80) funktioniert jedes Museum nach dem Eisbergprinzip -