Die wunderbare Reise ins Auge der Venus

Die wunderbare Reise ins Auge der Venus

Tim Sommer, Chefredakteur

chefredaktion@art-magazin.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

unsere Museen waren wahre Bollwerke des Analogen gegen die digitale Revolution. Wer sich durch ihre Webseiten klickt, sucht bis heute mehr, als dass er findet. Zwar kommt man mit einiger Routine zu oft gut versteckten Basisinformationen wie Öffnungszeiten und aktuellen Ausstellungen – aber was von den Sammlungen im Netz sichtbar wird, ist reine Glückssache. Unser großer Report über die Digitalisierung der Kunst ab Seite 36 bringt Ordnung in das Wirrwarr und zeigt auf, mit welchen Schwierigkeiten die Museen zu kämpfen haben. Außer Geld fehlt vor allem eine grundlegende Idee davon, wie ein digitales Museum auszusehen hat. Soll es möglichst alles zeigen, was in den Depots schlummert und sich damit als Forschungsinstrument für Experten profilieren? Soll es eine Auswahl an Prunkstücken präsentieren – und die dann gezielt einem breiten Publikum vermitteln und erklären?

Die Antwort könnte die Suchmaschine Google liefern, die kurz vor Redaktionsschluss ihr wegweisendes „art project“ ins Netz stellte. Zunächst 17 Museen in Amerika und Europa wurden mittels der umstrittenen Street-View-Technologie aufgenommen, die derzeit ganze Städte digitalisiert. Schnell und ganz intuitiv lernt man, durch die Schausäle zu navigieren, kann im Schloss Versailles die Deckengemälde ebenso erforschen, wie die Skulpturen in den langen Fluren der Uffizien in Florenz. Das wirklich grandiose an diesem schönsten Computerspiel der Welt sind die digitalen Reproduktionen von zunächst ausgewählten Meisterwerken, die Einblicke gewähren, wie sie sonst bestenfalls Restauratoren vorbehalten sind. Die Auflösung ist so hoch, das Bild so scharf, dass der feinste Pinselzug von Holbein, der wildeste Hieb von van Gogh ganz plastisch werden.

Nein, man muss nicht wieder mäkeln, wie schrecklich kalt diese digitale Museumswelt gegenüber dem wirklichen Leben ist. Daran, wie sich hier die Kunst präsentiert, wird künftig jede Museumswebsite zu messen sein. Eine bessere Werbung für die Reise zum Original gibt es nicht.

  • Das schönste Computerspiel der Welt: Auf der Website www.googleartproject.com kann man jetzt durch die Uffizien flanieren, bis man sich im Auge von Botticellis Venus verliert. Übrigens: Es geht auch noch näher ran