Etwas mehr Preußen täte Berlin gut – nicht weniger

Etwas mehr Preußen täte Berlin gut – nicht weniger

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

wer erleben will, wie viel Preußen noch in der STIFTUNG PREUSSISCHER KULTURBESITZ steckt, dem empfehle ich einen Besuch in der Cafeteria des Berliner KULTURFORUMS. Ich war zuletzt an einem Samstag da, nach einem Gang durch die wunderbare Donatello-Ausstellung. Freunden ging es genauso: Das magere Buffet war geplündert, aber keiner kam auf die Idee, die Krümel zusammenzukehren. Die Pfütze unter der Kaffeemaschine war mit einem Scheuerlappen abgedeckt, läuft schließlich sowieso wieder was runter, wenn die Leute zu doof sind, die richtigen Tassen für ihren Cappuccino zu nehmen. Über den Kunstblumenschmuck verbietet sich jede Bemerkung.

Große Schätze, grobe Verwahrlosung, das findet sich hier dicht beieinander – was sich nicht findet, sind Verantwortungsgefühl und eine effiziente Verwaltung. Aber das ist wohl nicht der Grund, warum Claudia Roth das Wort »Preußen« im Stiftungsnamen nun unpassend findet und tilgen will. Der Staatsministerin für Kultur und Medien waren zum einjährigen Amtsjubiläum im Dezember von der Presse durchwachsene Zwischenzeugnisse ausgestellt worden: Abtauchen in der DOCUMENTA-Debatte, Verstolpern in der Filmförderung, Konzeptschwäche im Ganzen. Allenfalls in den Haltungsnoten konnte sie punkten: Überall erzeugt sie Wärme, verströmt Enthusiasmus, versprüht Funken der Solidarität.

Umso mehr war sie zum Jahresende bemüht, Konkretes zu liefern: 200 Euro Kulturtaschengeld für 18-Jährige, zehn Millionen für Öko-Kosmetik am Neubau des MUSEUMS DES 20. JAHRHUNDERTS, Übergabe von Benin-Bronzen an Nigeria (siehe Seite 48) – und schließlich der Angriff auf die Schlosskuppelinschrift und der erste Spatenstich zur Reform der dysfunktionalen Preußenstiftung, den Vorgängerin Monika Grütters immer wieder aufgeschoben hatte. Ein Leitungsgremium um Präsident Hermann Parzinger soll es nun richten, die Museen mehr Autonomie erhalten, die Verwaltung aus der Hierarchie entkoppelt werden. Die Finanzierung durch Bund und Länder will sie neu ordnen und auch noch das HUMBOLDT-FORUM integrieren (siehe Seite 138). Darauf sollte sie sich konzentrieren, wenn sich in den nächsten drei Amtsjahren wirklich etwas ändern soll. Die Namensdiskussion ist völlig obsolet. Im Moment sieht es so aus, als hätten die Berliner Museen mehr Preußen nötig – nicht weniger.

PS: Auch in Beirut bemüht man sich derzeit, eine neue Ordnung herzustellen. Unsere große Reportage ab Seite 68 zeigt, wie ein Sammler sich für die Reaktivierung der Szene einsetzt.