Letzte Hoffnung: Kunst!
Letzte Hoffnung: Kunst!

Liebe Leserin, lieber Leser, die Ruhrregion als Kulturhauptstadt Europas? Klar, es gab ja auch schon eine Weltausstellung in Hannover; Liverpool und Patras sind Kulturhauptstädte geworden. Wir haben uns längst daran gewöhnt, Glanz und Bedeutung dort zu suchen, wo man sie am wenigsten erwartet: in Problemzonen. Die Kultur ist heute das Heilmittel der Wahl oder auch die Herzlungenmaschine, je nach Zustand des Patienten. Die Frage ist, ob man damit nicht ihre Möglichkeiten überschätzt.
Die Idee, das Ruhrgebiet durch Kunst zu erlösen, ist alles andere als neu. Schon vor 100 Jahren hat der Mäzen Karl Ernst Osthaus, dessen legendäre Sammlung ab März im neuen Essener Museum Folkwang (siehe Bericht ab Seite 28) rekonstruiert wird, genau aus diesem Antrieb gewirkt. Nur galt damals, in den Boomzeiten der Kohle- und Stahlindustrie, die Kultur als Krönung gesellschaftlicher Entwicklung, heute soll sie als „Kreativwirtschaft“ nach Jahrzehnten des Niedergangs die Basis für einen Neuanfang bilden.
Mit seiner Sammlung hat Osthaus im damals „kunstverlassenen Industriebezirk“ entscheidende Impulse gesetzt. An spannenden Museen (siehe Bericht ab Seite 43) herrscht längst kein Mangel mehr – und endlich vernetzen sich die meist unterfinanzierten Institute in den klammen Kommunen zu einem Verbund der „RuhrKunstMuseen“, dessen Schlagkraft und Haltbarkeit sich freilich erst beweisen müssen. Aber dass sich die Künstler nicht so leicht kaufen lassen wie ihre Werke, musste auch schon Osthaus lernen.
Er war der Meinung, dass die Talente dorthin müssten, „wo das Geld rollt“ (also damals an die Ruhr), gefolgt ist ihm nach Hagen nur ein Maler von nachhaltiger Bedeutung, Christian Rohlfs. Ob die neuen Künst ler an siedlungsprogram me, etwa im Schatten des Dortmunder U oder im Umfeld der Zeche Zollverein mehr Erfolg haben und langfristig und selbsttragend funktionieren, wird sich zeigen, wenn das Ruhrgebiet keine Kulturhauptstadt mehr ist, sondern eine von vielen Regionen, die in der postindustriellen Zeit um eine neue Identität ringen.
Viel wichtiger als ihre jetzt so gern und überall von Politikern beschworene Rolle der Kultur als „Wirtschaftsfaktor“ ist ihre Arbeit an der gesellschaftlichen Sinnstifung über die Auseinandersetzung mit den realen Problemen des Strukturwandels. Daran wird die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 zu messen sein.
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Strukturwandel durch Kunst: das neue Museum Folkwang in Essen (oben) und die Baustelle des Dortmunder U, wo in der alten Union-Brauerei und drumherum ein Kulturzentrum entstehen wird -