Liebe Leserin, lieber Leser,

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Tim Sommer, Chefredakteur

monatelang wurde wild spekuliert, dann kam vor Weihnachten endlich die Entscheidung für einen Generationswechsel in Berlin. Peter-Klaus Schusters Multivertrag als Generaldirektor der Staatlichen Museen und Chef der Nationalgalerie wurde nicht verlängert, statt dessen übernimmt Michael Eissenhauer, 51, im November die Generaldirektion und Udo Kittelmann, 49, die Nationalgalerie mit allein fünf Häusern. Schon im März wird der Vorgeschichtler Hermann Parzinger, 48, dem scheidenden Klaus-Dieter Lehmann als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz folgen.

Unter dem neuen Triumvirat der 50-Jährigen werden sich Klima und Ausrichtung von Deutschlands größtem Museumskomplex schlagartig ändern. Und vielleicht hat es sogar die Kraft und den Mut, den drohenden Murks der beschlossenen Preußenschlossattrappe mit eingepflanzter Multikultimischnutzung zu verhindern. Jetzt ist die letzte Chance, einen freien Architekturwettbewerb für das geplante Humboldt-Forum, oder, besser noch, ein großes, modernes Haus für eine glänzende Gemäldesammlung aller Epochen gegenüber der Museumsinsel durchzusetzen.

Generationswechsel in Berlin: Michael Eissenhauer (rechts) wird im Herbst Generaldirektor der Staatlichen Museen, Udo Kittelmann übernimmt die Nationalgalerie

So viel Anfang war nie: Peter-Klaus Schuster verkörpert mit Goldknopf-Blazer und etwas längerem Haar schon rein äußerlich perfekt den klassisch gebildeten Museumsmann, der zuerst Kunsthistoriker und Geistesmensch und dann erst Manager und Budgetverwalter ist. An Kittelmann und Eissenhauer kann man die Extreme im zeitgenössischen Anforderungsprofil studieren. Eissenhauer, seit 2001 Chef der Staatlichen Museen Kassel, verbaut dort 200 Millionen Euro bei der Generalsanierung der Häuser und hat sich wohl nicht durch glänzende Ausstellungen, sondern die reibungslose Neuorganisation und kluge Führung des hessischen Museumsverbundes für Berlin empfohlen. Auch hier will er, anders als Schuster, nicht selbst kuratieren, sondern leiten, formen, repräsentieren.

Udo Kittelmann könnte ihn perfekt ergänzen. Die Seiteneinsteigerkarriere des gelernten Optikers vom Kunstvereinsleiter in Köln zum Direktor des MMK Frankfurt/Main und nun zum Chef der Nationalgalerie mit ihren Sammlungen muss manchen Kunsthistoriker ins Grübeln bringen, der sich tapfer durch die Instanzen kämpft. Aber: Kittelmann ist einer der inspiriertesten Ausstellungsmacher weltweit. Ob er nun sein ganzes Museum mit den „Fälschungen“ der Appropriation-Künstlerin Elaine Sturtevant ausstattete, ob er den 2001 noch weithin unbekannten Gregor Schneider nach Venedig einlud, sein klaustrophobisches Meisterwerk „Totes Haus ur“ aus Rheydt in den Deutschen Pavillon einzubauen und damit den Goldenen Löwen gewann, oder ob er für die Schau „Spinnwebzeit“ persönlich in nächtelangen Bietgefechten bedeutungsschwangeren Krempel auf Ebay aus aller Welt ersteigert: Kittelmann hat eigene, ganz neue Ideen und verfolgt sie wie ein Besessener mit allem Mut zum Risiko. Vielleicht wird ja so aus dem zentralen Museum des Landes endlich auch das wichtigste.