Breiten- statt Spitzensport – ist das jetzt die Losung?
Breiten- statt Spitzensport – ist das jetzt die Losung?
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Gleiches Amt, neuer Typus: Auf Monika Grütters (rechts) folgt Claudia Roth als Kultur- Staatsministerin. Was grüne Kulturpolitik ist, werden wir demnächst erfahren -
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, nicht nur uns hier in Hamburg hat das Bauernopfer in letzter Minute der Regierungsbildung ziemlich überrascht. Weil die FDP sich das Verkehrsressort erhandelt hat, bekamen die Grünen, so heißt es, zum Ausgleich den Zugriff auf das Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien. Und unser kluger, beliebter SPD-Kultursenatorenprofi Carsten Brosda, als Olaf-Scholz- Vertrauter vermeintlich sicher gesetzt, musste seine Umzugskisten wieder auspacken und durfte tapfer gratulieren.
Dass nun Claudia Roth auf Monika Grütters folgt, ist jedenfalls eine Personalie mit, sagen wir, großem Spekulations- potenzial. Immerhin: Erstmals bekommt das Amt eine prominente Besetzung, statt seine Besetzung erst prominent zu machen. Und Claudia Roth ist ein ganz anderer Typ als ihre stets recht salbungsvollen Vorgänger – sie vermag zu polarisieren. Gleichzeitig ist sie wie Monika Grütters eine erfahrene, durchsetzungsstarke Politikerin. Aber was ist das wohl eigentlich, grüne Kulturpolitik? Da fängt das Rätseln an.
Der Koalitionsvertrag ist, was die Kultur betrifft, eine Wattewolke von wohlfeilen Selbstverständlichkeiten. Allerdings mit starker Betonung auf Zweckdienlichkeit und Passform der Kultur in den aktuellen Diskursen, von Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit über Gender- und Teilhabefragen bis hin zur Versöhnung mit Namibia. Von besseren Ausstellungen, Konzerten und Filmen für Deutschland ist jedenfalls nicht die Rede. Auch die vielzitierte Definition »von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen« scheint den Akzent zu verschieben, weg von den von Monika Grütters so intensiv betreuten Leuchtturm-Pro- jekten der Repräsentations- und Hochkultur hin zur Tiefebene des verdienstvollen Schaffens und Wirkens ohne viel Glanz und Gloria. Breiten- statt Spitzensport, so klingt das bis jetzt.
Und es stimmt ja auch: Die Pandemie hat die Verletzlichkeit der Kultur gezeigt, offenkundig gemacht, wie prekär die Lebensmodelle ihrer Akteurinnen und Akteure abseits der Institutio- nen sind. Hier ist starke Lobbyarbeit auch in Zukunft nötig – und das könnte passen. Kurz vor der Wahl hat Roth schon mal als Gastautorin der »Zeit« das Humboldt-forum schwer angezählt und die Ökobilanz des gerade entstehenden Museums der Moderne kritisiert. An diesen Berliner Baustellen wird sie gleichermaßen gemessen werden – denn Leuchttürme werden auch zukünftig in der Landschaft gebraucht.
PS: Im letzten Jahr ist die Zahl der ART-Card-Partnermuseen auf 330 gestiegen. Bestimmt ist eines ganz in Ihrer Nähe dabei!