Der Fall Gurlitt verschafft dem Unrecht Aufmerksamkeit – endlich!

Der Fall Gurlitt verschafft dem Unrecht Aufmerksamkeit – endlich!

Tim Sommer, Chefredakteur chefredaktion@art-magazin.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Fall Gurlitt ist für ein Monatsmagazin Traum und Albtraum zugleich. Seit die Entdeckung und Beschlagnahmung von über 1000 Werken aus der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt Anfang November bekannt wurde, überschlagen sich die Ereignisse, und die Diskussion um den Umgang mit dem Nazi-Unrecht im Kunstbetrieb (für art immer schon ein Thema) nimmt ständig an Fahrt auf. Fast täglich berichten wir auf art-magazin.de über die neuesten Entwicklungen, Erkenntnisse und Meinungen. In diesem Heft haben wir in einem großen Dossier (ab Seite 44) alles zusammengestellt, was man wissen sollte. Besonders interessiert hat uns dabei die Lebensgeschichte von Hildebrand Gurlitt, der die Werke zusammengetragen hat – eine Biografie, in der sich deutsche Geschichte und deutsche Schuld auf faszinierende und schreckliche Weise verwebt. Unser Gespräch mit Michael Naumann und Peter Raue lotet aus, wie vertrackt und ungerecht die juristische Lage heute ist, weil politisch in den letzten Jahrzehnten so viel versäumt wurde. Moral und Recht gehen hier nicht zusammen, die Schludrigkeit der Politik wird offenbar. Und endlich bekommt die Debatte die Aufmerksamkeit und den öffentlichen Druck, den sie verdient. Der Fall wird uns weiter beschäftigen – und hoffentlich auch Museen und Privatsammler, die Kunstwerke aus jüdischen Familien, aus den Raubzügen der Nazis, aus den Enteignungen in Sowjetzone und DDR zwar besitzen – die ihnen aber eigentlich nicht gehören sollten.

Bei Redaktionsschluss erreichte uns die traurige Nachricht, dass Axel Hecht gestorben ist, der Erfinder unseres Magazins und ein Vierteljahrhundert unser Chefredakteur. Lesen Sie unseren Nachruf auf einen großen Journalisten auf der nächsten Seite. Er war ein strenger, guter Lehrer für viele Kollegen, energiegeladen, fordernd, inspirierend, exzentrisch. Auch ich habe ihm für unendlich viel zu danken. Vor allem für das Vertrauen, dass er mir immer geschenkt hat. Er wird mir fehlen. Auf die Frage, was ihm einmal nachgesagt werden solle, hat er geantwortet: „Ein Langweiler war er nicht.“ Und wie er uns beschäftigt hat! Und wie er uns bei art weiter antreiben wird. Versprochen, lieber Axel Hecht!

  • Axel Hechts Schreibtisch in der art-Chefredaktion, so wie er ihn 2005 verlassen hat. Rechts die Erstausgabe unseres Magazins von 1979